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Nachfolgeregelungen werden für heimische Familienbetriebe zunehmend zur Herausforderung. Viele der jungen Generation werden flügge und wollen nicht mehr ins "gemachte Nest" zurück.

Foto: apa/Peter Endig

Wien – Vier von fünf heimischen Betrieben befinden sich in Familienbesitz und beschäftigen rund 70 Prozent der Arbeitnehmer. Auf den ersten Blick erscheint es einfach für die nächste Generation, sich ins gemachte Nest zu setzen. Tatsächlich wird es für Familienunternehmen aber zusehends schwieriger, Nachfolger zu finden. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Ernst&Young (EY) will nur jeder hundertste potenzielle Nachfolger nach dem Hauptschulabschluss in den Familienbetrieb eintreten. Zum Vergleich: Weltweit liegt der Durchschnitt bei knapp fünf Prozent.

Selbst nach fünf Jahren Pause bleibt die Lust, die Geschicke im Familienbetrieb zu übernehmen, in Österreich überschaubar. Gerade 3,4 Prozent wollen dann in die Fußstapfen des Patriarchen steigen. Weltweit kann sich das fast ein Fünftel vorstellen. Trotz der niedrigen Umfragewerte steigen in der Praxis wesentlich mehr Erben in den Familienbetrieb ein. Allerdings mit sinkender Wahrscheinlichkeit, wie Erhebungen der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) belegen.

Wurden im Jahr 1996 noch drei von vier Betriebsübergaben familienintern abgewickelt, soll dieser Anteil im Zeitraum ab 2015 bei nur knapp über 50 Prozent liegen. Abhilfe sollen Nachfolgebörsen schaffen, die ausstiegswillige und potenzielle Unternehmer zusammenführen. Derzeit hat die Plattform des Gründerservices der WKÖ (nachfolgeboerse.at) mehr als 1200 Unternehmen in der Datenbank, die einen Nachfolger suchen. Im Gegenzug haben mehr als 230 potenzielle Nachfolger ihr Interesse auf der Seite deponiert.

Generationenwechsel

Für die nächsten Jahre erwartet die WKÖ eine regelrechte Flut an Übergaben. Demnach stehen im Zeitraum 2014 bis 2023 bei 45.700 Unternehmen, das sind rund 27 Prozent aller heimischen Klein- und Mittelbetriebe, Nachfolgeregelungen an. Betroffen sind davon ein Umsatzvolumen von rund 580 Milliarden Euro und mehr als 450.000 Mitarbeiter, die auch an Eigentümer außerhalb der Familie weitergereicht werden können – eine Chance zur Selbstständigkeit für Außenstehende.

Bei Weitergaben innerhalb der Familie ortet Johannes Volpini, zuständiger Partner für den Bereich "Family Business" bei EY Österreich, Veränderungen: "Der Generationenwechsel vollzieht sich mittlerweile strukturierter denn je." Die Zepterübergabe sei als kritischer Punkt erkannt worden. Mögliches Erfolgsrezept: Statt durch Erbgang soll der Generationenwechsel durch sukzessiven Rückzug erfolgen und den Jungen suggerieren, Freiraum für ihre Ideen zu schaffen. Von heute auf morgen auf den Chefsessel Platz zu nehmen könne sich als Schuss nach hinten erweisen. Das Vertrauen der Mitarbeiter müsse erst aufgebaut werden, ebenso eine gewisse Anerkennung.

Ein weiteres Ergebnis der EY-Umfrage: Immer mehr angehende Jungchefs wollen sich vor dem Eintritt in den Familienbetrieb zunächst außerhalb beweisen. Für Volpini eine Entwicklung, die Risiken und Chancen birgt: Erfahrungen auf fremdem Terrain können wertvolle Impulse beim späteren Eintritt in den Familienbetrieb bringen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass der Spross Gefallen an der externen Tätigkeit findet und für die Übergabe wegfällt.

Bemerkbar macht sich das besonders in wirtschaftlich florierenden Ländern mit vielfältigen Karrieremöglichkeiten. Volpini: "In wirtschaftlich schwächeren Ländern ist der Einstieg in den familieneigenen Betrieb oft die einzige Karrieremöglichkeit." Doch auch hier mahnt der Experte zu einer geordneten Übergabe: "Wir erleben zurzeit, dass sich eine riesige Babyboomergeneration zurückzieht. Ob der Familienbetrieb nun an einen einzelnen oder mehrere Nachfolger übergeht – bestehende Werte können sehr schnell verlorengehen. Im Worst Case baut einer auf, der andere aus und der nächste ab." (Sigrid Schamall, Alexander Hahn, 8.10.2015)