Paris – Nein, der "Double Irish" ist kein doppelter Whiskey – er schenkt bedeutend stärker ein: Mit diesem Finanztrick nützt ein Unternehmen den tiefen irischen Steuersatz von 12,5 Prozent aus und schafft zudem über seine Holdingstruktur eine Niederlassung auf den Bermuda-Inseln, wo die Steuerlast fast null ist. Dank dieses Mechanismus zahle der US-Konzern Apple in Europa für seine hiesige Tätigkeit nur zwei Prozent Steuern, schätzen Insider.

Aber nicht nur Internetkonzerne wie Google oder Amazon profitieren von der Grenzenlosigkeit der globalisierten Wirtschaft. McDonald's sparte in Europa zwischen 2009 und 2013 mehr als eine Milliarde Euro an Steuern. Auch Starbucks, Ikea, Deutsche Bank betreiben munter "Steueroptimierung". Mit Steuermissbrauch soll jetzt aber Schluss sein. Die OECD, der Verbund der 34 Industrienationen, legte am Montag 15 Maßnahmen vor, mit denen Steuerschlupflöcher gestopft werden sollen. 60 Staaten, darunter die USA, unterstützen die Initiative BEPS (Base Erosion and Profit Shifting).

Wo gewonnen, dort versteuert

Sie fußt auf einem einfachen Prinzip: Betriebsgewinne sind dort zu versteuern, wo sie erwirtschaftet werden. Zu diesem Zweck verlangt die OECD Transparenz der Geschäftsbücher. Internationale Konzerne mit mehr als 750 Millionen Dollar Umsatz müssen in Zukunft auch Umsätze, Angestelltenzahl und Gewinne all ihrer ausländischen Niederlassungen angeben. Diese Angaben werden nicht publik, sondern fallen unter das Steuergeheimnis, was Industriespionage nicht zusätzlich fördern soll. Das digitale Zeitalter, in dem "geistiges Eigentum" wie Patente und Lizenzen fast wichtiger sind als die physische Herstellung von Produkten, erleichtert Steueroptimierung vor allem für Internetfirmen. Die OECD schreibt nur vor, dass so genannte "Patentboxen" – analog zu Briefkästen – nur zulässig sind, wenn dort auch wirklich geforscht und entwickelt wird.

Der federführende OECD-Steuerchef Pascal Saint-Amans machte am Montag in Paris klar, dass es nicht darum gehe, Steuerwettbewerb zu verbieten: Wenn Irland tiefere Steuern festlege als Italien, gehe das in Ordnung. Auch EU-Länder wie England versuchen, mit Steuervergünstigungen die Ansiedlung von Patentboxen zu erleichtern. Geht es nach der OECD, muss sich dahinter aber eine wirkliche Tätigkeit im Land verbergen.

Gesetze anpassen

Viele der 15 Maßnahmen klingen ähnlich komplex wie die Steuertricks, die sie zu verhindern suchen. Im Visier sind etwa fiktive Verrechnungspreise zwischen Mutterhaus und Niederlassung oder auch die raffinierten "hybrids", das heißt Konstruktionen aus Personen- und Kapitalfirmen. Die Übernahme dieser OECD-Vorgaben erfordert von allen Ländern eine Anpassung ihrer Steuergesetze. Schiedsgerichte sollen Streitfragen zwischen Ländern klären.

Von mehreren Seiten wurde das OECD-Verfahren als "bürokratisch" kritisiert. Gemessen am riesigen Ausmaß der Steueroptimierung sei der zusätzliche Kontrollaufwand gering, entgegnet Saint-Amans, der hofft, dass die neuen Normen 2017 in Kraft treten. Die Finanzminister der G20 wollen sie am Donnerstag in Lima (Peru) verabschieden, die Staats- und Regierungschefs dann im November. Danach müssen sie die Staaten in ihr nationales Steuerrecht übertragen.

Schwierige Umsetzung

Und das wird nicht so einfach sein. Bei der Bekämpfung der Steuerflucht hatte Saint-Amans zwar einen durchschlagenden Erfolg erzielt: Die Schweiz, Luxemburg und 50 andere Länder billigten 2014 den automatischen Informationsaustausch von Banken und Steuerbehörden. Die lückenlose Umsetzung des BEPS-Standards dürfte schwieriger sein. Der republikanisch dominierte US-Kongress könnte die Zustimmung der Obama-Administration aufheben. Mehrere Schwellenländer wie Indien lehnen die Schiedsgerichtsbarkeit ab. Und: Findige Steuerexperten arbeiten bereits daran, die 15 OECD-Maßnahmen mit neuen Tricks auszuhebeln. (Stefan Brändle aus Paris, 5.10.2015)