Salzburg – Mit William Shakespeares Liebetragödie Romeo und Julia eröffnete das Salzburger Landestheater am Freitag die Saison. Intendant Carl Philip von Maldeghem verantwortete dabei Inszenierung sowie Neuübersetzung des Ende des 16. Jahrhunderts entstandenen Bühnenklassikers. Dabei versucht er eine Balance zwischen dem Gestern und dem Heute zu finden. Ein probates Mittel, dem Dramenevergreen eine aktuelle Erdung zu geben, ist die ironische Distanz. Die Familien Montague und Capulet sind verfeindete Banden – keine neue Idee, das erinnert an die West Side Story oder auch an Baz Luhrmanns grelle Romeo und Julia-Verfilmung von 1996.

Unklarheiten beim Binnen-I

Bewaffnet mit Messern und in stilisierten Kampfszenen bleibt Zeit, Ungereimtheiten des Binnen-I-Gebrauchs zu artikulieren. Aber was ist schon politische Korrektheit angesichts der Kitschgefahr, die von einer "absoluten" Liebesgeschichte ausgeht? Es herrscht Teddyalarm, wenn Graf Paris (Clemens Ansorg) um Julias (Nikola Rudle) Hand anhält. Weil diese längst ihren Romeo (Tim Oberließen) auserkoren hat, geht sie nur zum Schein auf die von ihren Eltern, Graf und Gräfin Capulet (Marcus Bluhm, Julienne Pfeil), erzwungene Hochzeit ein. Das rote Plüschtier von Paris kickt sie von der Bühne.

Diese Salzburger Romeo und Julia-Inszenierung ist kein Musical wie West Side Story, der Musik kommt trotzdem eine wichtige, ironisierende Rolle zu. Paris singt etwa den alten Caterina-Valente-Schlager aus den 1950ern Ganz Paris träumt von der Liebe. Ein Schelm, wer dabei nicht nur an Paris als Sehnsuchtsort aller Liebenden denkt, sondern daran, dass der Körper des Herrn Paris gemeint sein könnte.

Überhaupt bleibt Maldeghem – wie einst Thomas Brasch in seiner Eindeutschung – ganz nah an Shakespeares Originaltext, der voller Zweideutigkeiten und sexueller Anspielungen steckt. Wenn die Gangkumpel Mercutio (Gregor Weisgerber) und Benvolio (Hanno Waldner) nicht auf obszöne Gesten und Sprüche verzichten, darf das als Werktreue interpretiert werden.

Stefan Mayers Ausstattung bleibt karg und rudimentär: statt des berühmten Balkons nur verschiebbare Bühnenelemente. Einfach und plakativ sind auch einige andere Inszenierungskniffe. Etwa dass Julia meist barfuß und im "unschuldigen", weißen Unterkleid auftritt. Das ändert nichts an der sehr starken Ensembleleistung; in weiteren Rollen: Walter Sachers, Christoph Wieschke und Sofie Gross. (Gerhard Dorfi, 5.10.2015)