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Menschen mit psychischen Problemen sind laut OECD-Bericht dreimal so häufig arbeitslos wie der Durchschnitt.

Foto: apa/Oliver Berg

Wien – Österreich muss mehr tun, um Menschen mit psychischen Problemen zu helfen, Arbeit zu finden, im Job zu bleiben oder in den Beruf zurückzukehren: Das erklärt der jüngste OECD-Bericht "Mental Health and Work: Austria". Psychische Probleme von Arbeitnehmern, die sich in verminderter Produktivität sowie höheren Gesundheits- und Sozialkosten niederschlagen, verringern die österreichische Wirtschaftsleistung im Jahr um etwa 3,6 Prozent.

"Psychische Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft unheimlich weit verbreitet", sagt Christopher Prinz, österreichischer Ökonom bei der OECD in Paris und einer der beiden Autoren des Berichts. Der Analyse zufolge leidet in Österreich jeder dritte Empfänger von Krankengeld, Arbeitslosenleistungen oder Berufsunfähigkeitspensionen und jeder zweite Langzeitarbeitslose unter psychischen Problemen. Zudem sind Menschen mit mentalen Problemen dreimal so häufig arbeitslos wie der Durchschnitt – besonders oft trifft es Ältere. Trotzdem werde das Thema nach wie vor stark stigmatisiert. Die Häufigkeit psychischer Erkrankungen ist laut Prinz seit Jahrzehnten gleich. "Es gibt kein Indiz, dass sich an der Prävalenz in den vergangenen 50 Jahren etwas geändert hat." Nur werden jetzt mehr Erkrankungen erkannt.

Österreich "gar nicht so schlecht"

Im Vergleich von neun OECD-Ländern komme Österreich "gar nicht so schlecht weg", konstatiert der Schweizer Psychologe Niklas Baer, Mitautor des Berichts, und zwar wegen der strukturellen Voraussetzungen. Dazu gehören ein robuster Arbeitsmarkt, das Sozialversicherungs- und Gesundheitssystem sowie Unterstützungsangebote. Die 3,6 Prozent BIP-Verlust will Baer als "Unterschätzung" verstanden wissen.

Die Kosten, die durch psychische Probleme von Arbeitnehmern entstehen, betreffen ihm zufolge nur zu einem geringen Teil das Gesundheitssystem. Den weitaus größeren Anteil machen die sogenannten arbeitsassoziierten Kosten aus: Menschen mit psychischen Erkrankungen sind weniger produktiv, häufiger und länger im Krankenstand, gehen früher in Pension und sind öfter von Arbeitslosigkeit betroffen.

Stärkung des öffentlichen Bewusstseins

1995 lagen zehn Prozent aller Invaliditätspensionen psychische Diagnosen zugrunde, 2013 war das bei einem Drittel der Fall – ein Faktum, das Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) nach eigenen Worten "nicht wahrhaben" wollte. Er wies auf eine Palette von Initiativen hin wie ambulante Rehabilitation, Fit2work und Jugendcoaching. Raum für Verbesserungen sieht er noch bei der Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen, bei denen das Bewusstsein für die Problematik häufig noch gering ausgeprägt ist, wie der OECD-Bericht festhält.

Mängel sehen die Autoren auch in Bezug auf das AMS: Dort fehlten Mittel, um psychische Probleme frühzeitig zu erkennen, sagt Baer. Eine Chance für Verbesserungen sieht er auch in der Analyse von Arbeitsabsenzen, die kaum durchgeführt wird. Auch im Bildungswesen seien Reformen nötig. Trotz hoher Ausgaben gelinge es bisher nicht, jungen Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten oder psychischen Problemen ausreichend zu helfen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule brauche es daher stärkere Unterstützung durch geschulte Kräfte. Jugend- und Ausbildungscoaching sollten ausgedehnt werden, um die Zielgruppe besser zu erreichen und zu verhindern, dass junge Leute die Schule vor der Matura oder ohne Berufsabschluss verlassen."Gerade die stilleren psychischen Probleme sind schwer zu erkennen", sagt Baer. Wer aufgrund einer psychischen Erkrankung keine Ausbildung abschließen kann, hat ein größeres Risiko, keinen Arbeitsplatz zu finden. (APA, red, 2.10.2015)