Anne Teresa De Keersmaeker und ihre Kompanie Rosas haben sich von Brian Eno und William Shakespeare inspirieren lassen. Herausgekommen ist ein Stück, das sich an die Fersen von Zeit und Vergänglichkeit heftet: "Golden Hours (As you like it)".

Foto: Anne Van Aerschot

Graz – Die Arbeit der belgischen Choreografin und Tänzerin Anne Teresa De Keersmaeker lässt auf elementare Weise Musik und Bewegung miteinander kommunizieren. Schon mit einem ihrer ersten Werke Fase (1982), das aus der und zur Minimal Music von Steve Reich entstand, rammte sie ein diesbezügliches Fähnlein ins Territorium der postmodernen Choreografie. Ihr fast obsessives Verhältnis zur Musik pflegt De Keersmaeker seither weiter. Sie suchte die Zwiesprache mit Komponisten wie dem Franzosen Gérard Grisey, einem Vertreter der Spektralmusik, spürt immer mal wieder Partituren von Johann Sebastian Bach nach oder heftet sich an die strengen Klangstrukturen der mittelalterlichen Ars Subtilior. Wie gut ihre Bewegungsrhythmik mit Musik korrespondiert, lässt sich auch an dem Umstand erkennen, dass sich Beyonce Knowles – ja, der texanische Popstar – für eines ihrer Videos von De Keersmaekers Choreografien inspirieren ließ. Ein Plagiatsvorwurf stand zumindest im Raum.

Bereits 2011 war De Keersmaeker beim Steirischen Herbst zu Gast – mit Cesena, einem Stück, das sich eines historischen Massakers zur Zeit der westlichen Kirchenspaltung (Gegenpapsttum in Avignon ab 1378) im italienischen Ort Cesena annahm. Ein kritischer Standpunkt ist den Arbeiten stets inhärent. In diesem Jahr bringt die 55-jährige Künstlerin das im Jänner am Kaaitheater in Brüssel uraufgeführte Golden Hours (As you like it) mit, das sich mit dem Begriff der Zeit und der Vergänglichkeit befasst.

Referenzpunkt – und mehr als das, denn sogar titelgebend – war dafür ein Musikstück des Ambient-Music-Veteranen Brian Eno: Golden Hours vom Album Another Green World (1975). In diesem Vierminüter ist vom Vergehen der Zeit die Rede, von Ewigkeiten, verblassenden Tagen und Abenden. Als weiterer Bezugspunkt muss ein zweiter Brite herhalten: William Shakespeare und dessen Wie es euch gefällt (1599). In dieser Komödie ziehen sich Verschmähte und Abtrünnige des Hofes in den Ardenner Wald zurück, um dort unter magischen Umständen die bösen Machenschaften ins Gute zu verkehren. Am Ende jubeln vier heißverliebte Paare.

Man könnte also sagen, Anne Teresa De Keersmaeker übersetzt das aufmüpfige Lebensgefühl aus Shakespeare-Tagen mithilfe von Brian Enos Emo-Scores in einen zeitgenössischen sinnlich-wundersamen Tanz. Wenn das den Versuch nicht wert ist!? (Margarete Affenzeller, Spezial, 2.10.2015)