Elke Berger zur Herausforderung Generation Y: "Leistung erlauben, die anders produziert wird."

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STANDARD: Banken rangieren Umfragen zufolge bei Absolventen wirtschaftlicher Studien nicht mehr als Top-Wunscharbeitgeber. Andere Industrien, etwa Genussmittel und Kosmetik, liegen vorne. Versicherungen haben es demnach noch schwerer. Nehmen Sie das so wahr?

Berger: Ja, das ist so. Was mit der gesamten Branche passiert ist, wirkt natürlich auch auf den Arbeitgebermarkt. Dem muss man sich stellen, das ist unser Auftrag: rausgehen mit einem ehrlichen Bild, mit Klarheit. Dann finden wir auch die Richtigen. Wer diese Bälle jetzt fängt, der passt auch gut in das derzeitige Chancen/Risken-Umfeld. Abgesehen davon, dass wir uns auch damit abfinden müssen, dass Leute weiterwandern – aber das belebt uns auch.

STANDARD: Apropos: Wie viel diverser ist "die Bank" in den vergangenen Jahren wirklich geworden? Ich meine damit nicht nur die bekannten Statistiken geringen Frauenanteils ganz oben ...

Berger: Die Finanzindustrie braucht mehr Diversity. Aber statt Bankern aus einem Holz gibt es heute schon viele Hölzer – ich meine damit nicht nur Nationen und verschiedene Studien, sondern auch ganz verschiedene Backgrounds.

STANDARD: Gut versteckt hinter der Businessgarderobe?

Berger: Gar nicht. Da müssen Sie mal eine Trainee-Gruppe bei uns ansehen – vom blauen Anzug bis sehr farbig. Das fordert uns natürlich auch: Leistung erlauben, die anders produziert wird.

STANDARD: Schwierig in einem Umfeld, das immer mehr reguliert wird ...

Berger: Ja, das ist ein extremes Spannungsfeld zwischen immer kleinteiligerer Regulierung und dem Bedürfnis der Menschen nach Eigenständigkeit im Handeln. Das wirft viele Führungsfragen auf, etwa: Wie wollen wir Performance-Management leben? Wollen und können wir bei einem hierarchisch besetzten Mitarbeitergespräch pro Jahr bleiben? Oder wollen wir regelmäßig Kollegen-Feedback und viel mehr in die Zukunft schauen, mehr als vergangene Jahre in einer Mappe ablegen? Und: Wer setzt die Ziele? Sind die übergestülpt? Da ist sehr viel in Bewegung.

STANDARD: Im Vorfeld des neuen Campus-Lebens auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhof in Wien ab 2018?

Berger: Jetzt schon. Wir entwickeln dort in "Campinos" gerade neues Arbeiten, so wie unsere Mitarbeiter das brauchen, das kommt aus der Belegschaft heraus.

STANDARD: 6000 Leute sollen dann auf dem Campus werken, so der Plan. Was steht tatsächlich in Österreich an weiterem Personalabbau an, nachdem in der Unicredit-Gruppe angeblich demnächst 10.000 gehen sollen?

Berger: Da kann ich nur wiederholen, was unser Vorstandschef Willi Cernko gesagt hat: Es gibt noch keine konkreten Pläne. Übrigens: Unseren Personalabbau 2014 von rund 330 Vollzeit-Äquivalenten haben wir größtenteils mit Arbeitszeitreduktion gestemmt. Auch über unsere interne Jobbörse, für die wir den HR Innovation Award erhalten haben. Bei Arbeitszeitreduktion statt Arbeitslosigkeit haben wir detailliert die Mitarbeiter befragt, finanziell verkraftbar war letztlich ein Minus von 20 Prozent. Wer sich dazu entschlossen hat, konnte die Flexibilität selbst bestimmen – ob Aufstockung des Urlaubs oder mittwochs frei oder was sonst dem Lebenskonzept entgegen kommt. Diese "Flexiday"-Regelung ist sehr, sehr gut angekommen, und die Evaluierung hat jetzt gezeigt, wie enorm der Selbstorganisationsgrad ist, wie Kollegialität und sogar bessere Teamdynamik entsteht. Da gibt es nicht die anderen, die sich nicht für Teilzeitmodelle entschieden haben und deswegen frustriert zurückbleiben – das genaue Gegenteil ist eingetreten.

STANDARD: Extrem aufwändig ...

Berger: Ja. Ich sehe das aber auch als ein subtiles Hineingleiten in die Generation-Y-Thematik und die neuen Ansprüche ans Arbeiten. Beim Lernen sind wir da mit den gemischten Lernstrecken in Selbstorganisation in der Academy schon sehr weit.

STANDARD: Das große Ziel inmitten von Transformation, Digitalisierung, neuer Konkurrenz in den Geschäftsfeldern plus der über allem lastenden Schuldenthematik?

Berger: Den Leuten viel mehr helfen, ihre Talente zu entdecken. Die Zeiten von "einmal Filiale, immer Filiale" sind vorbei. (9.10.2015)