Nüchtern, oder sagen wir: unaufgeregt sollte man nach den ersten gemütsmäßigen Aufwallungen auch an die Flüchtlingskrise herangehen. Zumindest ist das die Erwartungshaltung eines Lesers an Qualitätsmedien. In der Berichterstattung des STANDARD ist es seit Wochen etwas anders. Eine – ich weiß, gut gemeinte – Empathie überwiegt. "Helfen" dominiert den Blick. Aber das kann es nicht sein. Von einem guten Medium erwartet man sich als Leser (Stichwort: vierte Gewalt) neben Meinungsvielfalt auch einen klugen, nüchternen, unaufgeregten Blick auf die Verhältnisse und ihre Folgen.

Der Subtext der Berichterstattung zur Flüchtlingskrise war: arme Menschen, ihre Not ist grenzenlos, Hilfe unumgänglich, und jeder, der sie beschränkt, wer nicht hilft und unterstützt, der ist Rassist und Unmensch. Ebenso darf man die Frage nach den 10.000 Dollar Schlepperkosten am besten gar nicht stellen. Das als Haltung ist vielleicht gut gemeint, geht aber in der Grundstimmung dann nicht nur gegen rechts, das geht auch gegen jede Vernunft. Diskurse abzuwürgen ist eine ziemlich autoritäre Angelegenheit.

Mit den vielen Welcome-Taferln, die im Internet zirkulieren, hat man Hoffnungen ausgelöst, die nicht zu erfüllen sind, und Folgen, die alle auszubaden haben. Das ist verantwortungslos gegenüber Nachkommenden und ebenso gegenüber vielen Mitbürgern in Österreich wie in Deutschland. Was geht denn in den Köpfen der hierzulande knapp eineinhalb Millionen Armen oder der vierhunderttausend Arbeitslosen vor, wenn die sich das Durchschleusen Tausender tagtäglich im Fernsehen oder in den Zeitungen ansehen? Das fragt sich offenbar kaum einer der wohlmeinenden Helfer und Journalisten. Wie müssen diese im Land Benachteiligten solche Willkommensgesten wahrnehmen und empfinden? Sehen die ihre Lebenschancen noch mehr bedroht? Offenbar hat sich die politische Elite damit abgefunden, dass ein Teil davon ins Wählerlager der FPÖ oder noch weiter nach rechts abdriftet.

Von Qualitätsmedien erwarte ich mir, dass sie gerade diese Perspektiven der benachteiligten Bevölkerungsgruppen nicht als "bloß Angst" abtun und Folgeprobleme ansprechen, also Themen der Erwerbsarbeit und der kulturellen Integration von Flüchtlingen eben nicht verniedlichen, wie das die rot-schwarze Politik macht. Es wird wohl ziemlich lange einigermaßen teuer werden, so viel ist sicher.

Die große Mehrheit der Flüchtlinge sind nämlich nicht Ärzte und Diplomingenieure, ein Fünftel der Afghanen sind Analphabeten, meinte kürzlich der deutsche Innenminister. Und wie schafft man es in Mitteleuropa eigentlich, diese Leute kulturell zu integrieren? Sie kommen aus Ländern mit gewaltiger Korruption, Gewalt, Kriminalität und toleranzresistenter Religion. Können die sich halbwegs integrieren, oder drohen da nicht Parallelgesellschaften zu entstehen? Es wäre eine Illusion zu glauben, mit ein paar Deutschkursen und der Mindestsicherung würde sich dann der zwanglose Dialog über Genderfragen, Atheismus und selbstverständlich Redefreiheit bei der Mehrheit dieser ganz anders sozialisierten Menschen schon von selbst einstellen. Das hat schon bei vielen bisherigen Migranten nicht funktioniert.

Viel zu spät sind der europäischen Politik die Menschen in den bestehenden Flüchtlingslagern, etwa der Türkei, in den Sinn gekommen. Diese brauchen dort nicht nur Essen, sondern auch legale Erwerbsmöglichkeiten. Das kann zwar nur Behelfslösung sein, aber wohl die humanste für alle. Längerfristig viel sinnvoller und fortschrittlich wäre es, die Geflüchteten zu motivieren und sie dabei zu unterstützen, in ihren Ländern doch selbst die desaströsen Strukturen zu verändern und bessere Verhältnisse zu schaffen. Bürger dürfen ihre Diktatoren stürzen. Gegen Unrechtssysteme zu revoltieren ist sogar Bürgerpflicht. So etwas anzugehen, das wird sich allerdings die europäische politische Elite wieder einmal nicht trauen, ebenso wie sich niemand den Hauptverursacher der Tragödien dort beim Namen zu nennen traut, nämlich die USA. (Karl Kollmann, 30.9.2015)