Die letzten Feldbetten werden in Lkws eingeladen und von der Stadthalle in die Lindengasse gebracht.

Foto: Matthias Cremer

Dort stehen bis zu 500 Plätze für Flüchtlinge stehen in dem ehemaligen Bürogebäude zur Verfügung.

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Wien – Eine Warteschlange hat sich vor einer blauen Tür an der Seitenwand der Wiener Stadthalle gebildet. In den Räumen dahinter findet die fremdenpolizeiliche Registrierung statt. Die Menschen, die hier anstehen, wollen nicht mehr weiterreisen, sondern in Österreich Asyl beantragen.

"Wir sind seit vier Tagen hier", erzählt Ali. Der Afghane hat vor einem Monat mit Freunden seine Heimat verlassen, über Ungarn sind sie nach Österreich gekommen. "Wir wollen uns registrieren, aber es geht nicht", sagt der 18-Jährige. "Wir wollen bleiben, aber wenn sie uns nicht hierhaben wollen, werden wir weiter nach Deutschland fahren."

Umsiedlung in längerfristiges Quartier

Auf der anderen Seite der Tür drängen Polizisten die Wartenden zur Ruhe. "Es werden heute nicht alle einen Asylantrag stellen können", sagt ein Beamter. Genauere Auskünfte können sie nicht geben; das Stadthallenquartier wird geräumt. Helfer laden die 350 Feldbetten in einen Lkw und bringen sie in ein neues Quartier des Roten Kreuzes. Das ehemalige Bürogebäude in der Lindengasse in Wien-Neubau soll nötigenfalls bis zu 500 Schlafplätze bieten.

Das Gebäude der Raiffeisen Evolution ist für die Flüchtlinge aber nicht nur eine kurzzeitige Übernachtungsmöglichkeit, wie es die Schlafplätze in der Stadthalle waren. Rotkreuz-Sprecher Alexander Tröbinger vermutet, dass sie einige Wochen in dem Quartier bleiben werden. Dort können die Flüchtlinge ab Mittwoch bei einer Stelle der Fremdenpolizei auch wieder Asylanträge stellen. "Das ist der größte Einsatz der vergangenen zwei Jahrzehnte für uns", sagt Tröbinger. Ohne die Unterstützung der anderen Landesorganisationen und des internationalen Netzwerks des Roten Kreuzes wäre dieser nicht möglich.

50 Prozent mehr Asylanträge

Die Raumressourcen reichen laut Tröbinger in Wien derzeit aus, um alle Flüchtlinge unterzubringen: "Wir haben etwa 2.100 Plätze." Anders sieht es in den neu geschaffenen Verteilerzentren der Bundesländer aus. Diese sind alle überbelegt, wie das Innenministerium bekanntgab. "Die Zentren in den Bundesländern sind voll. Wir haben 50 Prozent mehr Asylanträge als bisher", sagt Ministeriumssprecher Alexander Marakovits zum STANDARD. 2.000 Asylantragsteller seien derzeit vorübergehend in den Quartieren untergebracht, die eigentlich für Transitflüchtlinge vorgesehen sind.

"Menschen, die seit dem vergangenen Wochenende einen Asylantrag stellen, sind offiziell obdachlos", kritisiert Diakonie-Direktor Michael Chalupka, der die Öffnung der Kasernen fordert. Zu Obdachlosigkeit könne es kommen, wenn Flüchtlinge kein Notquartier beziehen können oder wollen, entgegnet Marakovits.

Für mehr Platz will auch das Abendgymnasium Wien sorgen und über den Winter Flüchtlinge aufnehmen. Leerstehende Gebäudeteile, die nicht für den Schulbetrieb genutzt werden, werden als Notquartiere hergerichtet. 250 Personen könnten so übergangsweise in den beheizten Räumen Unterschlupf finden. (Oona Kroisleitner, Victoria Windtner, 29.92015)