Wo US-Außenminister John Kerry gerade jetzt eine Chance sieht, den Syrien-Konflikt zu beenden – von der er bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammed Javad Zarif sprach –, ist unklar: Sicher ist, dass Syrien als Thema die Uno-Vollversammlung in New York beherrscht, im fünften Jahr des Aufstands gegen das Assad-Regime, der sich in einen Krieg auf unterschiedlichen Ebenen und mit disparaten Spielern, der die gesamte Region destabilisiert, entwickelt hat.

Dass Syrien gerade jetzt mit so großer Wucht auf die Tagesordnung zurückkehrt, hat mehrere Gründe. Der Exodus der Syrer und Syrerinnen nach Europa – an den sich auch viele Flüchtlinge aus anderen Ländern angehängt haben – wird auch aus den USA mit Unbehagen beobachtet: Wie wird das sonst relativ abgeschottete Europa mittelfristig darauf reagieren?

Gleichzeitig scheinen die USA in Syrien mit ihrer Politik am Ende der Fahnenstange angekommen zu sein, gleich zweifach: Bashar al-Assad, dem Präsident Barack Obama 2011 ausrichtete, er habe seine Legitimität verloren, ist noch immer da. Und ebenso der "Islamische Staat", der 2014 zu einem US-Luftengagement im Irak und in Syrien veranlasst hat.

Und dazu kommt nun auch noch, dass Russland nun das Heft an sich reißt, militärisch in Syrien und diplomatisch als Präsident des Uno-Sicherheitsrats im September, wo für Mittwoch eine Sondersitzung geplant war.

Zwei unterschiedliche Antworten gibt es auf das evidente Scheitern in Syrien in den USA: Die erste heißt, die Linie halten – aber entschiedener. Man habe nicht das Falsche, sondern nicht genug getan. Das heißt, mehr militärisches Engagement etwa zur Einrichtung einer "sicheren Zone" für Flüchtlinge und Opposition, mehr Hilfe für die Rebellen, die bisher so gut wie gar nichts gebracht hat – außer den radikalen Gruppen.

Die andere Antwort ist: Man muss die Syrien-Politik völlig neu überdenken, vor allem den Ansatz, dass man gleichzeitig Assad und den "Islamischen Staat" bekämpfen kann. Die Vertreter dieser Linie wollen, dass man sich die russischen Vorschläge für eine einzige große Anti-Terror-Allianz ganz genau anhört.

Erster Anlauf 2012

Von "Genf 3" ist noch sehr vage die Rede, einer Syrien-Konferenz in der Tradition von Genf 1 und Genf 2, die 2012 und 2014 in der Schweiz stattfanden (teilweise übrigens nicht in Genf, sondern in Montreux). So ganz neu ist der Versuch, weit auseinanderklaffende US-russische Vorstellungen für Syrien einander anzunähern, also nicht. Nachdem bereits sehr früh in der Geschichte des Aufstands außersyrische Kräfte mit ihren jeweils eigenen regionalpolitischen Zielen aufgesprungen waren, war klar, dass der Konflikt auf einer höheren Ebene bearbeitet werden müsste. Allerdings ließ man eine Ebene einfach aus: Der Iran wurde nicht eingebunden, auch weil sonst die anderen nicht gekommen wären.

Genf 1 fand im Juni 2012 statt, der Initiator war der damalige Syrien-Beauftragte der Uno, Kofi Annan. Auch sein Nachfolger Lakhdar Brahimi hat längst aufgegeben, heute hat der schwedisch-italienische Diplomat Staffan de Mistura den Job inne. In Genf 1 wurde ein Kommuniqué erarbeitet, das eine "Übergangsregierung mit voller exekutiver Gewalt" verlangt, in der Vertreter von Opposition und syrischer Regierung sitzen sollen. Aber unmittelbar danach gerieten die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr russischer Gegenpart Sergej Lawrow bei der Frage aneinander, was das für die Person Bashar al-Assads bedeuten würde.

Zu Jahresbeginn 2014 startete Brahimi einen neuen Versuch: Genf 2. Diesmal war der Kreis der teilnehmenden Länder größer – in Genf 1 war es nur eine Kerngruppe gewesen -, und die syrischen Streitparteien saßen einander tatsächlich gegenüber. Nach einer ersten Runde Ende Jänner gab es noch einen zweiten Anlauf Mitte Februar, de facto wurden echte Verhandlungen aber nie aufgenommen. Eine dritte Runde war geplant, fand aber nie statt.

Kein abrupter Wechsel

Genf 3 würde das Rad nicht neu erfinden, aber de Mistura hat mittlerweile das Konzept der Übergangsregierung weiterentwickelt: Sein Plan trägt jenen Ängsten Rechnung, die einen abrupten Wechsel in Syrien für noch destabilisierender halten. Das Assad-Dilemma würde er lösen, indem er ihn für eine Übergangszeit als formellen Staatschef ohne Exekutivgewalt belässt. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite stößt dieser Vorschlag jedoch auf Resonanz: Für die einen ist das zu viel, für die anderen zu wenig Assad. (Gudrun Harrer, 30.9.2015)