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Regina Vollbrecht im Kreise anderer Teilnehmer des Vienna Night Runs und mit ihrem Hund Cooper.

Foto: APA Fotoservice/Juhasz

Wien – Die Erwartung ist niedrig. Zum vierten Mal läuft Regina Vollbrecht am Dienstagabend den Vienna Night Run. Sie ist erkältet, hat muskuläre Probleme. "Ich habe mir keine Zeit vorgenommen." Die fünf Kilometer, sagt sie, werde sie schon irgendwie schaffen. In Wien läuft sie gerne. "Die Stimmung ist toll." Außerdem ist sie eingeladen worden, das ist nicht alltäglich.

Zum neunten Mal findet der Vienna Night Run statt. Ein Teil der Startgelder wird an "Licht für die Welt" gespendet. Mehr als 20.000 Läufer und Läuferinnen, so viele wie nie zuvor, werden den Ring umrunden. Vollbrecht ist eine von ihnen. Von Geburt an ist die 38-jährige Berlinerin vollblind. Zum Laufen kam sie in der Blindenschule. Sie blieb dabei. Anfangs waren es kürzere Strecken. "Ich dachte, den Marathon machen nur Verrückte", sagt Vollbrecht. Weil ihr Ex-Mann ein Marathonläufer ist, wollte sie es dann doch probieren. Es war im Jahr 2000, als Vollbrecht in Berlin ihren ersten Marathon absolvierte. 4:40 Stunden benötigte sie damals. "Es ging mir gar nicht gut. Ich hatte danach den schlimmsten Muskelkater, musste die Treppen rückwärts runtergehen."

Weltrekord

Vollbrecht probierte es trotzdem wieder. Und wieder. Und wieder. Zwischen 18 und 20 Marathons hat sie mittlerweile absolviert. Bei 3:15:49 Stunden steht ihre Bestzeit. Die Marke stellte sie 2010 in Frankfurt auf. Es war die schnellste je von einer blinden Läuferin erbrachte Zeit. Als Weltrekord zählt sie aber nicht. Vollbrecht hätte sich vorher neu klassifizieren lassen müssen. Bloß hat ihr das vorher niemand gesagt. Und so steht der Weltrekord bei 3:18:15 Stunden. Den hält auch Vollbrecht, aufgestellt 2007 in Hamburg. Da klappte es mit der Anerkennung.

Acht bis zehn Läufe absolviert Vollbrecht im Jahr, die meisten auf der Straße. Nicht nur in Wettkämpfen, auch im Training ist Vollbrecht auf Unterstützung angewiesen. Sie braucht immer einen Begleitläufer. Spontan laufen gehen ist also eher nicht. "Die Organisation macht einen großen Teil des Trainings aus." Fünf bis acht Begleitläufer hat sie. Nicht jeder hat immer Zeit.

Vollzeitjob

Auch Vollbrecht selbst hat nicht immer Zeit. Sie arbeitet 36 Stunden pro Woche im Sehzentrum Berlin. Nebenher läuft sie 80 bis 110 Kilometer. Auch im Ironman, einem 100-km-Lauf und 6-Stunden-Rennen hat sie sich schon versucht. Im Goalball brachte sie es als deutsche Teamspielerin zu den Paralympics 2004 in Athen. Es war ihr bisher einziges Antreten bei Paralympics. Der Marathon für blinde Frauen ist 2016 erstmals paralympisch. Vollbrecht hat das Limit geschafft. Ob sie nach Rio entsandt wird, ist fraglich. Sie muss sich mit Sportlerinnen mit Restsehvermögen messen. "Da bin ich im Nachteil." Rio ist trotzdem ihr großes Ziel. Danach will sie es ruhiger angehen. So wie heute in Wien.

Regina Vollbrecht (im Kreise anderer Teilnehmer) freut sich auf den Lauf in Wien. Große Erwartungen hat sie nicht. Großes Ziel sind die Paralympics 2016. (Birgit Riezinger, 28.9.2015)