Wien – Für die Wiener Sozialdemokraten bedeutete das Debakel der SPÖ in Oberösterreich den Eintritt des Worst-Case-Szenarios – und das zwei Wochen vor dem Showdown in Wien. Auf das Abschneiden der Genossen in Oberösterreich reagierte Wiens Landesparteisekretär und Wahlkampfmanager Georg Niedermühlbichler aber ziemlich gefasst. "Von den Umfragen her kam das Ergebnis nicht unerwartet. Die Ausgangslage für Wien bleibt dieselbe: Wer die FPÖ verhindern will, muss SPÖ wählen."

Das Resultat der Roten in Oberösterreich sei "natürlich nicht erfreulich. Ich hätte mir ein besseres Ergebnis gewünscht". Der Wahlabend in Oberösterreich habe laut Niedermühlbichler jedenfalls gezeigt, dass die massiven Zugewinne der Freiheitlichen "nicht nur im Vorfeld herbeigeschrieben wurden", sondern auch eintraten, sagte er dem STANDARD. In Wien gehe es am 11. Oktober "um alles".

Asylthema beherrscht auch Wien-Wahl

Damit räumt der SPÖ-Stratege ein, dass die Wiener Sozialdemokraten das von Meinungsforschern prognostizierte knappe Rennen zwischen SPÖ und FPÖ um Platz eins durchaus ernst nehmen. Das internationale Asylthema werde laut Niedermühlbichler auch in der Bundeshauptstadt massive Auswirkungen haben. "Das braucht man nicht wegzudiskutieren." Wähler könnten sich "zwischen einer Partei, die hetzt, und einer Partei, die für Menschlichkeit und Solidarität steht", entscheiden. Auf den Unterschied werde man auch in den noch verbleibenden zwei Wochen im Wahlkampf intensiv hinweisen.

Wiener SPÖ vor historischem Minus

Während die Sozialdemokratie in Oberösterreich als Dritte erstmals unter die 20-Prozent-Marke rutschte, droht in Wien ebenfalls ein historischer Tiefstand: Bürgermeister Michael Häupl erreichte 1996 bei seinem ersten Antreten nur 39,2 Prozent – nach 47,8 Prozent im Jahr 1991. 2001 und 2005 schaffte er die absolute Mandatsmehrheit, 2010 musste er nach leichten Verlusten ein Ergebnis von 44,3 Prozent verantworten – und die SPÖ sich einen Koalitionspartner suchen. Man entschied sich bekanntlich für die Grünen.

Geht es nach aktuellen Umfragen, muss die Sozialdemokratie diesmal mit einem Absturz auf rund 35 Prozent rechnen. Niedermühlbichler will das nicht kommentieren. Er rechnet mit einer "positiven Überraschung. "Dafür werden unsere Funktionäre bis zum Umfallen laufen."

Gudenus glaubt an Triumph

Wiens FPÖ-Klubchef Johann Gudenus steht dem Ergebnis der freiheitlichen Kollegen in Oberösterreich "mit großer Demut gegenüber", sagte er dem STANDARD. Mit derartigen Zugewinnen habe er nicht gerechnet. Die Abwahl der dortigen schwarz-grünen Koalition kommentierte er so: "Schwarz-Blau ginge sich aus."

Nach dem erfolgreichen Wahlabend für die Blauen in Oberösterreich hält er ein Kopf-an-Kopf-Rennen in Wien "durchaus für möglich. Vielleicht ist die Nummer eins drin." Die beiden Bundesländer ließen sich nicht vergleichen, schließlich starte die FPÖ in Wien bereits bei 25,8 Prozent. "Eine Verdoppelung wie in Oberösterreich geht sich eher nicht aus." Das Ziel für den 11. Oktober, mehr als 30 Prozent, sei laut Gudenus aber klar.

FPÖ wohl weiter in Oppositionsrolle

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) sei für seine "Politik der Untätigkeit abgestraft" worden. "Das droht auch Machthaber Häupl in Wien", sagte Gudenus. Was das Wahlergebnis in Oberösterreich für den finalen Schlusssprint im Wiener Wahlkampf bedeutet, will Gudenus "mit Ruhe bewerten".

Selbst bei einem möglichen Wahlsieg der Blauen dürfte die FPÖ weiter in der Oppositionsrolle feststecken. Häupl hat angekündigt, nach der Wahl keine Koalition mit der FPÖ zu bilden. Und eine Regierungszusammenarbeit zwischen der FPÖ und der ÖVP dürfte sich nach letzten Umfragen nicht ausgehen. Die Neos lehnen eine Kooperation ab.

Vassilakou: Rot-Grün wird knapp

Das knappe Überspringen der Zehn-Prozent-Hürde sowie die moderaten Zugewinne von Oberösterreichs Grünen auf niedrigem Niveau entlockten Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Sonntagabend ein amikales "Chapeau, Rudi". Dass sich keine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition in Oberösterreich ausgeht, dafür könne Rudi Anschober nichts.

Vassilakou verhehlt nicht, dass auch eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition in Wien rein rechnerisch nicht abgesichert sein dürfte. "Prophetin bin ich keine. Natürlich kann es knapp werden", sagte Wiens Vizebürgermeisterin dem STANDARD. Das liege aber weniger an den Grünen, sondern am prognostizierten Ergebnis des Regierungspartners. "Die SPÖ muss damit umgehen, dass sie beträchtliche Verluste einfahren wird."

Die wahrscheinlichste Variante sei aber folgende: "Michael Häupl bleibt Bürgermeister, Strache legt zu, wird aber nichts in unserer Stadt." Vor drei Wochen ging Vassilakou davon aus, dass sich am Wahlabend des 11. Oktober "alles um eine Frage" drehe: "Rot-Grün oder Rot-Schwarz".

Für eine Fortsetzung von Rot-Grün in Wien brauche es wohl grüne Zugewinne. Vassilakou geht davon aus, dass diese größer als in Oberösterreich ausfallen werden. Bei einem Wahl-Minus, also weniger als 12,6 Prozent wie bei der Wahl 2010, kündigte Vassilakou bereits vor einem Monat an, zurückzutreten.

Juraczka: "kein erfreuliches Ergebis"

Die Ausgangslage für die Wien-Wahl sei für die Volkspartei "nicht einfacher geworden", stellte Landesparteichef Manfred Juraczka am Sonntagabend trocken fest. Das deutliche Abrutschen der ÖVP sei "kein erfreuliches Ergebnis für die ÖVP-Familie, obwohl Landeshauptmann Josef Pühringer einen ausgezeichneten Job gemacht hat". In Wien muss die ÖVP – ausgehend von ihrem bisherigen historischen Tiefststand von 14 Prozent – mit weiteren Einbußen rechnen. Das Abschneiden der Neos in Wien ist diesbezüglich entscheidend. Juraczka sieht nur die ÖVP als mögliche Alternative zu Rot-Grün. (David Krutzler, 27.9.2015)