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Der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hat sich auf die Aufdeckung von Korruptionsskandalen spezialisiert und sich damit in russischen Blogs nicht nur Freunde gemacht.

Foto: AP / Alexander Lukin

Im russischen Fernsehen ist die Welt noch einfach: Die Amerikaner sind böse und aggressiv. Nur die weise und zurückhaltende Politik des Kreml verhindert die weitere Eskalation schwerer Konflikte und lindert das Leid der Zivilbevölkerung in der Ukraine und in Syrien. Daheim werden erfolgreiche Ernteschlachten geschlagen, neueste Technologien entwickelt, und ab und zu enthüllen die wachsamen Sicherheitsorgane einen Korruptionsskandal.

Ein Blick in die Blogs hingegen dürfte den russischen Zuschauer durch ihre Glaubensvielfalt geradezu schockieren. Der Kampf um die Meinungshoheit im Ru-Net wird mit scharfer Polemik und teilweise auch persönlichen Angriffen geführt.

Der im Ausland bekannteste Blogger ist Alexej Nawalny. Obwohl die Opposition zuletzt offen schwächelte und Nawalny selbst ein unausgesprochenes TV-Auftrittsverbot hat, ist sein Einfluss auf die Politik nicht zu unterschätzen. Seine Enthüllungen hatten unter anderem Anteil am Rücktritt des Leiters der Ethik-Kommission in der Duma, Wladimir Pechtin, sowie des mächtigen Eisenbahnchefs Wladimir Jakunin.

Feindbild des Hackers "Hell"

Dabei ist Nawalny selbst nicht unumstritten im Netz: Die schärfsten Attacken gegen ihn fuhr jahrelang ein Hacker, der sich "Hell" nannte, gleich mehrfach Accounts des Oppositionellen knackte und später Auszüge zu dessen Diskreditierung in seinem Blog veröffentlichte. Nawalny sei "ein Populist und Demagoge", sein angeblicher Kampf gegen die Korruption reine PR, erklärte Hell. Er wolle ihn entlarven.

Weil einer der Hacks unmittelbar nach der Beschlagnahmung von Nawalnys Computern durch die Polizei erfolgte und die Behörden später aufgrund der von Hell veröffentlichten Infos ein Strafverfahren gegen Nawalny einleiteten, vermutet dieser, dass Hell vom Kreml gesteuert sei. Der Hacker streitet das ab, wurde aber inzwischen in Deutschland wegen Datendiebstahls auf Bewährung verurteilt. Von weiteren verbalen Attacken gegen Nawalny hat ihn das nicht abgebracht.

Suche nach Beweisen für russische Militäroperationen

Ein Anhänger Nawalnys hingegen ist Ruslan Lewijew. Der 29-jährige Blogger wurde durch die Veröffentlichung von Fotos, Videos und Audiomitschnitten bekannt, die die Beteiligung russischer Soldaten in Syrien dokumentieren sollen. Der Kreml dementierte die Berichte scharf. Zuvor schon hatten Lewijews Leute versucht, Beweise für eine verdeckte Militäroperation Russlands in der Ukraine zu finden. Dabei hatten sie auch auf umstrittene Methoden zurückgegriffen, Kameras entlang von Bahnschienen aufgestellt und sich Angehörigen von gefallenen Soldaten als Duma-Angehörige vorgestellt, um ihnen Aussagen zu entlocken.

Eine der populärsten kremlfreundlichen Bloggerinnen ist Jelena Mironenko. In ihrem Blog greift sie die Führung der USA, der Ukraine und natürlich die "fünfte Kolonne" im eigenen Land an. Mit ihrem zwischen geschwätzig und gehässig wechselnden Tonfall hat die 34-Jährige eine treue Leserschaft von fast 16.000 Abonnenten für ihren Blog im "LiveJournal" gefunden, das ist immerhin Platz zwei im Rating des Blog-Portals.

Skandal um "Trollfabrik"

Die Lufthoheit hat der Kreml im Ru-Net damit allerdings nicht. Die meisten bekannten Blogger wie Rustem Adagemow, Anton Nosik oder Leonid Kaganow äußern sich eher kritisch zu Wladimir Putin. Wohl auch deshalb hat die russische Führung im Zuge der Ukraine-Krise die Arbeit im Internet ausgebaut. Zum Skandal entwickelte sich die Nachricht über bezahlte Poster, die in Foren Kommentare auf Anweisung des Kreml platzieren. Trotz des Auffliegens der "Trollfabrik" ist kaum mit ihrem schnellen Aus zu rechnen. Der Kampf um die Netzkontrolle ist zu wichtig, um schnell aufzugeben. (André Ballin aus Moskau, 28.9.2015)