Innige Familienbande sind gut. Weniger gut ist, ohne nachzudenken, alles, wo man mitgemischt hat, mit der Familie zu teilen. Diese Erkenntnis überfiel mich im Kinosaal, zwischen meiner Mutter und meiner Tochter sitzend. Und da war es auch schon zu spät. Auf der Leinwand lief Jack, Elisabeth Scharangs neuer Film, der – abseits meiner selbstgebackenen Familienproblematik – ein hervorragender, ein traumatischer, ein farben- und lautintensiver Film geworden ist.

Ich hatte Gelegenheit gehabt, meine runde Visage in Scharangs Kamera zu halten, was noch halbwegs gut lief. Davon abgesehen hatte ich noch ein Satzerl aufzusagen. Das lief, höflich ausgedrückt, weniger gut. Am Ende des langen Drehtages hatte ich hasserfüllte Blicke von über siebzig Statisten gegen ein Uhr nachts auf mir vereint, die zum gefühlt dreißigsten Mal gezwungen waren, wegen meiner in beinharter Konsequenz mit jedem neuen Versuch falsch vorgetragenen Textvariation den Raum wiederholt zu verlassen, um ihn wieder möglichst freudvoll und beschwingt wieder zu betreten.

Und die in Stein gemeißelte Gewissheit gewonnen, dass das mit der Schauspielerei und mir wohl nix mehr werden würde. Wie schade. Ich stand verloren in meiner einzigen Szene als kleiner misslungener Giftpilz zwischen den Leuchten Minichmayr und Krisch und schämte mich mit jeder Extrarunde etwas mehr in Grund und Boden. Das Gefühl der Scham hatte Monate später auch im Kinosaal reichlich Raum: Jack mordet und schreibt bekanntlich nicht nur, sondern unterhält auch Liebschaften. An diesen Aspekt hatte ich nicht gedacht, als der Kinoabend geplant wurde. Das rächte sich. Vermutlich will kaum jemand brutalen und weniger brutalen Sexszenen zwischen der eigenen Mutter und dem eigenen Kind eingeklemmt sitzend beiwohnen. Das Gefühl gewisser epischer Betretenheit war nach oben hin auf der Skala der Peinlichkeit offen. Jack knetete Brüste und schlug zu. Wir sahen starr geradeaus, hinter uns knisterten unempathische Grobklötze lässig laut mit Popcorntüten. Nächstes Mal schicke ich alle einzeln ins Kino. (Julya Rabinowich, 25.9.2015)