STANDARD: Ein Professor der Wirtschaftsuni Wien, der Studentinnen nachweislich sexuell belästigt hat, wurde nicht entlassen, sondern nur im Einvernehmen für vier Jahre karenziert. Was sagt die Frauenministerin zu dieser Vorgangsweise?

Heinisch-Hosek: Ich bin für volle Härte bei sexueller Belästigung. So jemand sollte sich einen anderen Beruf suchen. Ich habe mich auch mit der ÖH unterhalten. Die jungen Leute sind aufgebracht – ich verstehe das und unterstütze das auch.

STANDARD: Braucht es schärfere gesetzliche Regelungen?

Heinisch-Hosek: Es wäre auf Basis des geltenden Rechts leicht möglich gewesen, dass es schärfere Konsequenzen gegeben hätte.

Teilzeit schaffe falsche Anreize, meint Gabriele Heinisch-Hosek.
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STANDARD: Sie haben diese Woche Ihre Bilanz über die Einkommensberichte der Unternehmen veröffentlicht. Die meisten machen sie, an der Einkommenslücke hat sich aber nichts geändert. Zeigt das nicht, dass die Gehaltsunterschiede von anderen Dingen abhängig sind: der Berufswahl, Teilzeit?

Heinisch-Hosek: Natürlich sind viele Maßnahmen nötig – beginnend bei der Berufs- und Bildungsorientierung. Aber auch das Gesetz zur Einkommenstransparenz ist ein Baustein. Es braucht Nachschärfungen, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Die Einkommensberichte müssen für alle einsehbar sein. Jetzt kann nur der Betriebsrat Einschau halten. In anonymisierter Form sollen auch Gehaltsbestandteile wie Zulagen, Überstunden und Informationen über All-in-Verträge enthalten sein. Wenn die Arbeitgeber dem nicht zustimmen, zeigt das, dass Gleichstellung bei ihnen keine Priorität hat.

STANDARD: Sind die Einkommensberichte nicht eine typisch österreichische Geschichte? Wenn ich mich an das Gesetz halte, habe ich einen großen Verwaltungsaufwand. Wenn nicht, ist es auch wurscht, weil es keine Sanktionen gibt.

Heinisch-Hosek: Ich war immer für Sanktionen. Es gibt schließlich immer noch Betriebe, die keine Berichte erstellen. Ähnlich wie bei den Stelleninseraten, wo Strafen von bis zu 360 Euro für unvollständige Anzeigen möglich sind, wäre ich auch bei den Einkommensberichten für Verwaltungsstrafen. Sie müssen aber empfindlicher sein. Je mehr Mitarbeiter, desto höher sollen sie sein.

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STANDARD: Was Frauen helfen würde, wäre ein weiterer Ausbau der Kinderbetreuung. Das zweite Gratiskindergartenjahr, das eigentlich versprochen war, wurde aber gerade abgeblasen. Wie kann die Frauenministerin das akzeptieren?

Heinisch-Hosek: Ich bin nach wie vor dafür, weil es zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen würde. Aber wenn sich die Familienministerin mit neun Ländern einigt – nicht zuletzt wegen der finanziellen Situation einiger Länder -, will ich mich nicht in den Weg stellen.

STANDARD: Gleichzeitig soll der Rechtsanspruch auf Elternteilzeit von sieben auf fünf Jahre reduziert werden. Eigentlich sollte das im Gegenzug für bessere Kinderbetreuung erfolgen. Stehen Sie noch dazu, auch wenn kein zweites Kindergartenjahr kommt?

Heinisch-Hosek: Ich verhehle nicht, dass ich einer Verkürzung etwas abgewinnen kann. Es kommt aber auf ein Gesamtpaket bei der Vereinbarkeit an. Hier ist einiges im Fluss. Es geht um eine gut ausgebaute Kinderbetreuung und mehr Partnerschaftlichkeit bei der Erziehung – dafür ist auch ein bezahlter Papamonat für die Privatwirtschaft ganz wichtig.

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STANDARD: Sie sehen in der Teilzeit einen falschen Anreiz?

Heinisch-Hosek: Das war immer mein Tenor. Fast jede zweite Frau befindet sich in einer Teilzeit- oder prekären Beschäftigung. Vollzeitarbeit macht selbstständiger und ist existenzsichernd. Sie hilft Frauen auch, Monate für die Pension zu sammeln, damit man im Alter keine Verluste hat. Gleichzeitig ist klar, dass das nur möglich ist, wenn auch die Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit bestehen.

STANDARD: Auch ein höheres Frauenpensionsalter würde beim Sammeln von Pensionsmonaten helfen.

Heinisch-Hosek: Wenn man in einer Position ist, die das auch gestattet. Ich möchte die Frage stellen: Welche Frauen betrifft das? 50 Prozent werden vor der Pension arbeitsunfähig oder arbeitslos. Sie hätten nichts von einem höheren Pensionsalter.

STANDARD: Derzeit müssen aber alle früher in Pension gehen.

Heinisch-Hosek: Kein Gesetz verbietet, dass Frauen länger als bis 60 arbeiten. Hier muss man also die Arbeitgeber in die Ziehung nehmen und fragen: Warum beschäftigt ihr Frauen nicht länger? (Günther Oswald, 26.9.2015)