Liebe geht oft ganz einfach. "Ans, zwa, drei, vier, es ist so schön bei dir." So zum Beispiel. Kein Reim, dem man schwere Denke unterstellt, in seiner Offenherzigkeit ist er aber schwer zu schlagen. Mit 1, 2, 3, 4 beginnt das zweite Album von Wanda. Das Lied ist das Geständnis eines Hallodris, der sich offenbart, aber nicht festlegt. In Zeiten allgegenwärtiger Zwänge – von der Lohnarbeit bis zum korrekten Vokabular – formulieren Wanda ein Lebensgefühl, das auf derlei Vorschriften ein bisserl scheißt. Dafür werden sie von ihren Fans geliebt, im deutschsprachigen Raum sind Wanda berühmt.

Marco Michael Wanda ist Sänger der Band Wanda. Ein Hallodri, der sich gerne offenbart, aber nicht gerne festlegt. Das zweite Wanda-Album "Bussi" erscheint am 2. Oktober.
Foto: Robert Newald

Wanda sind Volks-Rock-'n'-Roller ohne den Geruch der völkischen Bremsspur in der Hose. Seit einem Jahr ist Wanda die Band der Stunde, seit ihr Debüt Amore erschienen ist. Ein Titel wie ein Manifest, ausgesprochen wie ein Angebot mit Augenzwinkern. Das neue Album titelt Bussi und vertieft die vorhandene Beziehung.

Wanda ist eine Band aus Wien und benannt nach der 2004 gestorbenen lesbischen Puffmutter Wanda Kuchwalek. Sie war Wiens einzige Zuhälterin, die Strizzi-Tant, und wurde "wilde Wanda" gerufen. Eine Vorlage, der Wanda, die Band, vor allem live gerecht wird. Wanda umweht die Aura des Rock 'n' Roll. Hotelzimmer verwüsten, Groupies, frage nicht.

Im Gespräch zieht Sänger Michael Marco Fitzthum alias Marco Michael Wanda jedoch Grenzen. Vieles von dem, was Wanda nachgesagt werde, seien Projektionen. Diese seien schon okay, aber man dürfe halt nicht alles glauben. "Unser Leben ist nicht all zu wild, aber mir fehlt das Verhältnis. Vielleicht lebe ich besonders wahnsinnig und weiß es gar nicht." Er signiere jedenfalls häufiger Freundschaftsbücher von Kindern als Brüste von Fans.

Fitzthum sitzt in einem Espresso im zweiten Wiener Bezirk. Er raucht, das Getränk seiner Wahl ist der weiße Spritzer. "Mit Zitrone", sagt er beim Bestellen. Selbst Rock 'n' Roller brauchen Vitamine. Im Hintergrund läuft Schlagermusik. Die ist wichtig für Wanda. Fitzthum spricht von einer musikalischen Sozialisierung via Radio Wien oder Radio Arabella. Schlager- und Erbschleichermusik, daraus bezieht er die Direktheit seiner Texte. "Der einfache Text ist die wahre Meisterschaft."

Bei Wanda zeitigt das jede Menge Gassenhauer. Aber nicht bloß trübe Mitgrölmusik, sondern Lieder, die in ihrer charmanten Hinterfotzigkeit eine versteckte Intellektualität preisgeben, ohne damit anzugeben. Fitzthum hat Sprachkunst studiert, das hilft. "Es wird zu viel in der Annahme geschrieben, dass der Hörer ein Vollidiot ist." Er tut das nicht. In seinen Liedern geht es ums Nachtleben, das Schädelweh am nächsten Tag und natürlich die Liebe, Amore.

Ehrlich beleidigt

Wobei es nicht die romantische Liebe ist, die ihn interessiert. Die sei langweilig, die enttäuschten Liebhaber, die wären gut. Diesbezüglich orientiert er sich an alten Ray-Charles-Songs und kommt ins Schwärmen. "Da geht es immer darum, dass einer der Frau mit seinem Selbstmord droht. Das ist so ehrlich, dieses Beleidigtsein. Die Frau nicht kriegen und dann sie dafür verantwortlich machen. Das ist an diesen Bluessongs so großartig."

VertigoTV

Wanda sind die zurzeit erfolgreichste Popband des Landes. Im letzten Jahr haben an die 120 Konzerte vor mehr als 300.000 Menschen gespielt, die kommende Bussi-Tour wird das vervielfachen. Eine Erklärung hat er dafür nicht. "Ich weiß nicht, was die Leute in uns sehen. Vielleicht wissen sie viel besser als wir, was wir tun."

Bei Erwähnung des Begriffs Austropop entweicht Fitzthum ein Schnaufer. Klar, man muss drüber reden, klar, er kann drüber reden. Über Ambros und Falco oder Fendrich, aber abgesehen von thematischen Überschneidungen, erkennt er keine Verwandtschaft. Zumal Wanda nicht sudern und raunzen.

Jammern ist nicht sexy

Das für den Austropop typische Angerührtsein und sein Im-Selbstmitleid-Baden ist ihnen fremd. "Jammern ist nicht sexy", sagt Fitzthum, außerdem waren andere viel wichtiger. "Der Nino aus Wien und Soap & Skin und deren tief empfundene Musik. Die haben mir unglaublich Mut gemacht, überhaupt anzufangen."

Das sei hierzulande schon nicht leicht, aber in Deutschland noch schwerer zu vermitteln. Dort wird an einer Austropop-Bewegung gebastelt, dort imaginiert man sich Wien als Stadt, in der Bands in Lokalen miteinander musizieren und saufen. "Wo es eine Bewegung gibt, gibt es immer Spitzen, auf denen der Druck lastet, das zu verkörpern. Wir haben uns dagegen entschieden. Wir wollen nicht als Wiener Austropop-Band gelten. Wenn man uns darauf anspricht, werden wir immer sehr verlegen. Es gibt einfach nichts zu erzählen."

Psychische Inhalte

Wandas Direktheit bereitet deutschen Berichterstattern oft Probleme. Sie vermuten überall versteckte Botschaften und tiefere Bedeutung. "Die schieben viele psychische Inhalte nach Wien: Wir wären mit dem Tod besser dran als sie, den Schmäh haben wir angeblich, den Wiener Charme – was immer das sein soll. Aber man muss das verstehen, die haben alle zwanzig Jahre lang über Tocotronic schreiben müssen."

Fitzthum erzählt das gelassen bis verwundert. Was Wanda machen, nennt er eine Einladung ans Publikum, unverstellt mitzumachen. Die alte Punkidee. Keine Regeln, bloß einen menschelnden Grundkontext gibt es. Keine Homophobie, keinen Frauenhass, kein Scheiß. Das sei eh klar, ohne sich explizit politisch zu positionieren. "Politik ist eine Falle. Mein Gesellschaftsauftrag ist ein anderer. Ich muss eine priesterliche Rolle erfüllen, den Leuten zeigen, dass sie wieder einmal die Augen schließen können, ohne Angst zu haben. Das ist mein Job."

Für den hat er bereits als Kind geübt, hat seine Plüschtiere aufgestellt und für sie Gitarre gespielt. "Mein Ziel war, Musik zu schreiben, die in der Jukebox läuft, nicht im Radio. Und jetzt haben wir die Jukebox ins Radio gebracht. Für uns ist das so etwas wie ein gelungener Banküberfall." Noch einen Spritzer, bitte. Dann setzt er nach: "Solange das gutgeht, fein, wenn es aus ist, ist es vorbei. Ich werde sicher nicht um diese Karriere kämpfen."

Schwitzert und stinkert

Das klingt kokett. Wanda haben gerade einen Deal mit Universal Music Deutschland abgeschlossen, und das neue Album gibt Anlass zur Annahme, dass Wanda noch länger nicht vorbei sein werden, ja, vielleicht beginnt es gerade erst richtig. Bussi verströmt noch mehr Selbstvertrauen als das Debüt, ist nuancierter, zart schmalzig, balanciert Überzeugungen und Zweifel, ist stark, ohne deppert mit den Muskeln zu spielen. Wanda verzichten auf einen predigenden Tonfall, begegnen dem Publikum auf Augenhöhe. Verschwitzt und stinkert vielleicht, "aber ohne böse Absicht".

Was so leicht klingt, ist harte Arbeit. An den wenigen freien Tagen schwächelt deshalb oft der Körper. Aber Fitzthum hält wacker dagegen, bleibt auf Kurs. Internet hat er seit Jahren keines. Das versperre nur den Blick, verführe zur Onanie und lenke vom Wesentlichen ab. "Ich muss ja Lieder schreiben und Geld verdienen, sonst werde ich traurig." Sagt er und grinst. (Karl Fluch, 26.9.2015)