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Handelsstreit wegen Flüchtlingskrise: Lkw-Fahrer warten an der Grenze.

Foto: EPA/Zoltan Balogh

Wenn das für Milanovic lustig ist, dann ist es das für mich kein bisschen", sagte der serbische Premier Aleksandar Vucic sichtlich sauer über seinen kroatischen Amtskollegen. Auf der Humorebene dürften die beiden Politiker tatsächlich nicht besonders ähnlich sein. Milanovic ist flapsig-arrogant, Vucic sonor-ernst. Aber darum geht es gar nicht.

Seit Kroatien am Wochenende die Grenzen zu Serbien wegen des Andrangs von Flüchtlingen geschlossen hat, ist ein Handelsstreit entstanden, weil die Lastwagen nicht mehr über die Grenzübergänge kommen und das Obst und Gemüse, das eigentlich längst Richtung Norden Europas gebracht werden sollte, verfault.

"Es geht um Verhältnismäßigkeit"

Der Schaden ist enorm. EU-Erweiterungsverhandlungen-Kommissar Johannes Hahn versuchte wieder zwischen dem EU-Staat Kroatien und dem Kandidatenstaat Serbien zu vermitteln. Hahn zum STANDARD: "Ich bin sicher, dass wir eine Lösung erzielen. Es geht auch um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und gutnachbarliche Beziehungen. Das Schließen der Grenzen ist keine Lösung." Wie kürzlich auch im Fall von Bosnien-Herzegowina – als Kroatien Waren nicht durchließ – schadet diese Handelspolitik aber nicht nur den Beziehungen zwischen den Staaten, sondern auch dem Image der EU.

Vucic behauptete nun, die Politik Kroatiens verletzte sogar das Abkommen Serbiens mit der EU, und beschwerte sich bei allen möglichen EU-Politikern. Rein rechtlich betrachtet kann Kroatien mit seiner Grenze machen, was es will. Aber: "Gesetzt den Fall, dass Kroatien dauerhaft und disproportional Importe aus Serbien blockieren würde, wäre das ein Bruch des Abkommens", so ein Kommissionsexperte, der anonym bleiben möchte, zum STANDARD.

Übergang wieder freigegeben

Kroatien betonte, man werde die Grenze zu Serbien so lange geschlossen halten, solange Flüchtlinge in Richtung Kroatien geschickt würden. Damit will Kroatien Serbien dazu bringen, dass die Flüchtlinge wieder die alte Route Richtung Ungarn nehmen. Gegen 16 Uhr wurde aber in Batrovci der Übergang für Lkws wieder freigegeben.

Milanovic habe außenpolitisch "alle möglichen Fronten" geöffnet, kritisiert der kroatische Analytiker Davor Gjenero die Politik Zagrebs. Budapest ist etwa sauer, weil Kroatien die Flüchtlinge einfach nach Ungarn schickt. "Seit zwei Monaten weiß man, dass Ungarn die Grenze dichtmachen wird, und hätte planen können. Aber das ist nicht passiert", so Gjenero zum STANDARD.

Gjenero sagt, er habe geglaubt, dass Kroatien durch die EU-Verhandlungen ein "relativ normaler Staat" geworden sei, "aber Milanovic hat jetzt gezeigt, dass wir nicht EU-reif sind". Dem Premier gehe es ausschließlich um die Wahlen, die bereits im November stattfinden könnten. Der Sozialdemokrat verwende Anti-EU-Rhetorik, weil er wisse, dass es in Kroatien genügend anti-europäische Ressentiments gebe.

Leider würde er mit dieser Politik sogar punkten, so Gjenero. "Denn auch in der kroatischen Linken gibt es eine Bewegung, die gegen die EU-Institutionen ist." Gjenero verweist darauf, dass die kroatische Linke kaum Teil des EU-Verhandlungsprozesses war. "Deshalb haben die keinen Sinn für die Regeln in der EU und ihre Verantwortung als EU-Staat", so Gjenero. Die Zivilgesellschaft tue hingegen viel für die Flüchtlinge, und auch die Bevölkerung sei hilfsbereit – vor zwanzig Jahren waren ja viele Kroaten selbst Flüchtlinge. "Aber politisch ist Kroatien isoliert und streitet mit Slowenien, Ungarn und Österreich", verweist Gjenero auf den Grenzstreit mit Ljubljana und die Meinungsverschiedenheiten mit Wien bezüglich der Franken-Kredite.

Der Adler ist gefallen

Die aktuelle antiserbische Rhetorik ist wohl auch Teil des Wahlkampfs. Milanovic hatte Kroatien in der Flüchtlingskrise etwa als "Adler" und Serbien als "Fliege" bezeichnet. Daraufhin hatte der serbische Außenminister Ivica Dacic repliziert: "Der Adler ist gefallen." Kroatien solle quasi aufpassen, dass ihm dies nicht passiere. Dacic nahm damit Bezug auf die Komödie Der balkanische Spion von Dusan Kovacevic. Zwei Männer kommunizieren darin über ein Walkie-Talkie. Einer der Spione sitzt auf einem Baum. Der andere sagt: "Adler, melde dich! Adler, melde dich!" Dieser ist mittlerweile aber vom Baum gestürzt. Und antwortet: "Der Adler ist gefallen." (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 24.9.2015)