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Von der Krise in Griechenland sind die Pensionisten besonders betroffen. Auch sie gaben mehrheitlich wieder Syriza die Stimme.

Foto: AP/Lefteris Pitarakis

Die EU-Bürokraten waren am Montag voller Lob für Griechenland, ja wirkten fast ein wenig euphorisch. Denn die EU-Kommission schickte nicht nur, so wie es die diplomatische Höflichkeit gebietet, ihre Glückwünsche an Alexis Tsipras, den Wahlsieger in Athen. Man fühle sich von dem Ergebnis "ermutigt", ließ ein Sprecher im Namen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sogar ausrichten.

Noch zu Jahresbeginn versetzte die Aussicht, dass Tsipras Regierungschef werden könnte, die EU-Institutionen in Schrecken. Doch Syriza hat mangels Alternativen eine Kehrtwende vollzogen und trägt das mit Griechenlands Gläubigern vereinbarte Spar- und Reformprogramm inzwischen federführend mit.

In den Reihen der neuen alten Regierungskoalition dürften die erbitterten Gegner des Sparkurses mit der Wahl verschwunden sein. Die Regierung sollte sich im Parlament also auf eine bequeme Mehrheit stützen können. Und selbst wenn einmal nicht: Auch die größte Oppositionspartei, die Nea Dimokratia, unterstützt das mit den übrigen Gläubigerländern ausgehandelte Abkommen. Erstmals seit Monaten können die EU-Vertreter also sogar etwas entspannt in Richtung Griechenland blicken. Allzu lange dürfte die Ruhe aber nicht anhalten.

Bisher nur eine Absichtserklärung

Denn Tsipras stehen entscheidende Wochen bevor. Griechenland hat im Gegenzug für die Erfüllung der Sparauflagen einen neuen Kredit in Höhe von 86 Milliarden Euro erhalten. Die erste Überprüfung des Abkommens findet bereits im Oktober statt. Spätestens dann, haben die übrigen 18 Eurostaaten zugesichert, wollten sie über die griechische Schuldenlast sprechen.

Bisher hat Tsipras nicht mehr als eine Absichtserklärung in der Hand. Beim Juli-Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Euroländer hat man den Griechen zugesagt, "mögliche zusätzliche Maßnahmen zu erwägen", die sicherstellen sollen, dass die Schulden des Mittelmeerlandes tragfähig bleiben. Die hellenischen Verbindlichkeiten liegen aktuell bei rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung, Tendenz weiter steigend. Nur in einem Industrieland, Japan, ist dieser Wert noch höher.

Viel Raum für Manöver bleibt nicht: Die Eurostaaten wollen über einen richtigen Haircut, also einen Schuldenschnitt, nicht sprechen. Stattdessen soll es nur weitere Fristverlängerungen geben. Die Darlehen an Griechenland aus dem ersten Hilfsprogramm 2010 müssen erst zwischen 2022 und 2042 zurückgezahlt werden. Diese Frist könnte verschoben werden. Aktuell muss Athen keine laufenden Zinsen für die Kredite des Eurorettungsschirmes zahlen. Dieses Moratorium gilt seit 2012 für zehn Jahre und könnte verlängert werden.

Damit würden zwar die griechischen Verbindlichkeiten auf dem Papier nicht sinken. Die Inflation führt allerdings dazu, dass die Schuldenlast für Griechenland sinkt. Hinzu kommt, dass die Regierung in Athen die Gelder aus dem Schuldendienst für andere Dinge, etwa den Bau neuer Straßen, verwenden könnte. Der Bruegel-Ökonom Zsolt Darvas hat mit Kollegen errechnet, dass eine zehnjährige Verschiebung der Fristen Griechenlands Verschuldung mit der Zeit um 15 Prozent senken würde.

Doch viele Ökonomen bleiben skeptisch: Solange Griechenland keinen richtigen Haircut bekommt, könne das Vertrauen von Bürgern und Unternehmen in das Land nicht zurückkehren, argumentieren sie.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht es ähnlich und hat sich bisher mangels konkreter Zusagen der Europäer am dritten Hilfspaket nicht beteiligt. Eine im Juli veröffentlichte Analyse des IWF kommt zu dem Ergebnis, dass Griechenland auch mit einer Fristverlängerung geholfen werden könnte. Die müsste aber drastisch sein: Der IWF schlug etwa vor, die Rückzahlungsfristen von 2042 auf die Zeit nach dem Jahr 2060 zu verschieben. Das Zinsmoratorium sollte 20 statt wie geplant zehn Jahre in Kraft bleiben.

Wie schwierig die Situation ist, wurde deutlich, als der IWF nur wenige Tage später erneut eine Schuldenanalyse publizierte. Wegen der schlechten Wirtschaftslage (Kapitalverkehrskontrollen) würde Athen noch mehr Entgegenkommen benötigen, die Rede war plötzlich von einer Verschiebung der Rückzahlungsfrist bis nach 2070.

Ob die Eurozone bereit ist, so weit zu gehen, ist fraglich, schließlich geht es ja überall um Steuergelder. Neben Finnland sind auch andere kleine Länder wie die Slowakei skeptisch. Entscheidend wird letztlich die Position Berlins sein.(András Szigetvari aus Brüssel, 22.9.2015)