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Besonders nach dem Sommer brauchen strohige, ausgebleichte Haare eine Kur: Das macht Friseure zu Ärzten.

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Unlängst also wieder einmal beim Friseur: Es gibt Menschen, die wissen genau, welchen Haartyp sie haben und was genau sie brauchen. Ich bin das nicht. Wenn ich beim Friseur bin, will ich wissen: Wie steht es um mich? Sind die Spitzen etwa gespalten, alles kaputt?

Nach dem Sommer ist diese Frage ganz besonders spannend. Schließlich haben Wind, Salzwasser und Chlor gewütet: Das macht strohig am Kopf, ausgebleicht – insgesamt also krankes Haar.

So nennt es der nette Friseur natürlich nicht, sondern sagt nur: "Sie brauchen eine maßgeschneiderte Therapie." Da dachte ich kurz: Hoppla? Vertauschen sich hier gerade die Welten? Maßgeschneidert ist doch ein Wort, das man ursprünglich in Zusammenhang mit Anzügen verwendet hat. Es sind die, die ganz teuer sind, wie angegossen sitzen und vor allem: ein halbes Leben lang halten. Das mit dem Maßschneidern hat dann aber auch die Medizin entdeckt. Für Krebstherapien meistens. Nicht jeder Patient soll nach dem Gießkannenprinzip jedes Medikament bekommen, sondern eben alles immer nur maßgeschneidert – auf das jeweilige Bedürfnis abgestimmt.

Therapie für den Kopf

Dieser therapeutische Ansatz dürfte nun also auch die Friseurwelt erobern. Wenigstens jene von L’Oréal Professionel. Zuerst händigt der junge Friseur, wie im Spital, einen Fragebogen aus, der gewissenhaft ausgefüllt wird. Die Anamnese sozusagen.

Dann fragt er, wie es so geht mit den Haaren und wie ich so mit ihnen umgehe. Bei meinen Antworten nickt er – verständnisvoll. Und dann wählt er eine Therapie aus. Den einen Teil davon, sagt er, gibt es gleich und nur hier beim Friseur. Das Intensiv vom Intensiv sozusagen, das macht eben der Haardoktor.

Wenn ich will, dass es richtig gut wirkt und meine Haare langfristig heilen, dann empfiehlt er auch ein mehrteiliges Programm für zu Hause. Die Medikamente sozusagen.

Wer bislang mit seinem Friseur oder seiner Friseurin frisch-fröhlich drauflosplauderte, muss jetzt richtig aufpassen, ja vielleicht sogar mitschreiben. Sonst können einen Masken, Seren und kleine Tuben mit Anti-Dommage (was war das noch?) in der Anwendung durcheinanderkommen.

Heilung als Ziel

Jedenfalls: Das alles klingt richtig nach Therapie. Und das ganze Programm heißt auch noch dazu "Pro fiber" – ein "e" mehr, und man würde die erhöhte Temperatur fühlen.

Mit dem medizinischen Ansatz ist L’Oréal natürlich gar nicht allein. Bei Aveda gibt es schon seit längerem diese Treatment-Schiene. Mit eingänglichen Kopfmassagen. Am Kopf laufen bekanntlich viele Nervenenden zusammen, ein Friseurbesuch hat dort meditative Wirkung. Auch La Biostétique sieht sich als eine Art Haardoktor. Für jeden Haartyp gibt es eine ganz spezielle Lösung.

Vielleicht wird es eines Tages richtige Krankenanstalten für Haare geben. Mit stationären Aufnahmen zum Beispiel. Für "Pro fiber" hätte ich meinen Friseur tatsächlich gerne noch einmal angerufen, zum Nachfragen, wie das jetzt gemeint war mit: nach dem vierten Mal Waschen? Zum Glück gibt es so wie bei Medikamenten zu Haarkuren auch Beipackzettel. Den habe ich durchgeackert. Die einzige Nebenwirkung, die nicht draufstand: Wer "Pro fiber" gewissenhaft macht, muss sich ganz schön viel Zeit dafür nehmen.

Das Schöne: Meine Haare mögen "das Fiber" und sind in drei Wochen irgendwie wirklich geheilt. Und wenn’s nur ein Placebo-Effekt ist: Ich will nie wieder einfach nur so zum Haareschneiden, sondern will mich beim Friseur wie beim Arzt fühlen. (Karin Pollack, 22.9.2015)