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Am Sonntag passierten 10.500 Menschen den Grenzübergang Nickelsdorf.

Foto: ap/Zak

Nickelsdorf/Rigonce – Der Andrang der Flüchtlinge über die sogenannte Westbalkan-Route hält an. Trotz Stacheldrahts und scharfer Grenzkontrollen in Ungarn, Kroatien und Slowenien haben am Samstag laut Rotem Kreuz bis zu 13.000 und am Sonntag 10.700 Flüchtlinge Österreich erreicht.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner forderte eine Gesetzesänderung, um das Asylrecht zeitlich begrenzt gewähren zu können. Auch Kanzleramtsminister und SPÖ-Regierungskoordinator Josef Ostermayer erklärte in einer Aussendung zum Vorschlag der Innenministerin, "Asyl auf Zeit" zu gewähren und rechtliche Änderungen vornehmen zu wollen: "Grundsätzlich ist der Asylstatus einer, der auf Zeit, nämlich auf die Zeit, die durch die Gefährdungslage gegeben ist, beschränkt ist – und kann dann auch wieder aberkannt werden." Wenn die Innenministerin in der aktuellen Situation eine neue rechtliche Grundlage zur Bewältigung der Lage brauche, "sind wir jederzeit bereit, das zu unterstützen", so Ostermayer weiter. Die entsprechenden Gespräche für ein solche rechtliche Änderung seien im Parlament zu führen.

Überprüfung nach drei Jahren als "ehrliches Signal"

Ostermayer bezeichnete es zudem als "ehrliches Signal", nach drei Jahren zu überprüfen, ob noch ein Asylgrund vorliege. "Eine Verfestigung des Aufenthalts und damit ein Daueraufenthalt sind nach europarechtlichen Vorgaben nach spätestens fünf Jahren vorgesehen", so der Minister. Die neue Regelung solle als Signal dienen, sagte Ostermayer im Ö1-"Morgenjournal". "Wir helfen euch, solange ihr die Hilfe braucht, aber es kann sein, dass das widerrufen wird, wenn der Fluchtgrund weggefallen ist."

Ein Sprecher des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) hatte dagegen bereits im August gesagt, dass befristetes Asyl nicht sinnvoll sei. Da Österreich in regelmäßigen Abständen das Asylrecht prüfen müsste, sei dies mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Ohnehin gebe es jetzt schon den subsidiären Schutz. Dieser gilt für Flüchtlinge, die kein Asyl bekommen, weil sie nicht staatlich verfolgt werden, ihr Leben im Herkunftsland aber etwa durch einen Bürgerkrieg in Gefahr sei. Dieser Status wird bereits jetzt alle zwei Jahre überprüft.

Lage am Montag

In Nickelsdorf ist die Zahl der Flüchtlinge am Montagmorgen auf rund 3.200 gestiegen. "Es sind seit 03:00 Uhr früh 2.200 Menschen gekommen. Um 06.30 Uhr ist außerdem ein Zug mit etwa 1.000 Flüchtlingen in Hegyeshalom in Ungarn angekommen, die gerade eintreffen", sagte Polizeisprecher Helmut Marban gegenüber der APA. Für den weiteren Tag rechne man "mit einigen tausend" Flüchtlingen.

In Heiligenkreuz sind unterdessen etwa 150 bis 160 Personen. "Der Weitertransport (aus Nickelsdorf und Heiligenkreuz, Anm.) mit Zügen und Bussen wird gerade vorbereitet", erläuterte Marban.

1.200 Flüchtlinge haben die Nacht auf Montag in Notquartieren in Kärnten verbracht. Wie Polizeisprecher Rainer Dionisio im Gespräch mit der APA mitteilte, wurden die meisten von ihnen in Klagenfurt untergebracht, einige übernachteten in Villach. Betreut wurden die Flüchtlinge vom Roten Kreuz, das Bundesheer übernahm die Verpflegung.

Auch am Sonntag großer Andrang

Die meisten der am Sonntag eingereisten 10.700 Flüchtlinge, nämlich 10.500, passierten den Grenzübergang Nickelsdorf, teilte die Polizei am Montag auf Anfrage mit. Weitere 200 Menschen reisten über Heiligenkreuz ein. Keiner dieser Migranten hätte unter freiem Himmel schlafen müssen, hieß es.

An der kroatisch-slowenischen Grenze warteten am Sonntag einige hundert Menschen auf die Weiterreise Richtung Norden, viele mussten im Freien übernachten. Freiwillige versorgten die Flüchtlinge mit Zelten, da sich das Wetter verschlechtert hatte. In die wenigen Busse, mit denen die Flüchtlinge zur Registrierung in die Erstaufnahmezentren gebracht wurden, wurden vorrangig Familien, Ältere und Invaliden hineingelassen. An den Grenzübergängen Obrezje und Rigonce, den beiden Einreisepunkten von Kroatien nach Slowenien, war die Stimmung deswegen gereizt, wie die Medien berichteten.

Merkel: Geht um Zukunftsfähigkeit Europas

Auch die EU ringt weiter um eine Einigung. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft auf eine Einigung beim EU-Innenministertreffen am Dienstag. Am Mittwoch treffen sich die Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingsfrage. Merkel ermahnte die EU-Partner, die Zukunft der Union nicht aufs Spiel zu setzen. Die Ergebnisse der Treffen würden "viel aussagen über die Zukunftsfähigkeit dieses Europas".

Polen will nur symbolische Zahl aufnehmen

Polen will Ministerpräsidentin Ewa Kopacz zufolge nur wenige der nach Europa strömenden Flüchtlinge aufnehmen. Es werde nur eine symbolische Zahl sein, sagte Kopacz am Sonntagabend im staatlichen Fernsehen. "Es werden auf jeden Fall weit weniger als die 80.000 Flüchtlinge aus Tschetschenien, die Polen in den 1990er-Jahren aufgenommen hat."

Anfang des Monats hatte Kopacz noch erklärt, dass Polen mehr als die angekündigten 2.000 Flüchtlinge aufnehmen könnte, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.

Flüchtlinge an Grenze zu Finnland umgekehrt

An der nordschwedischen Grenze sind am Wochenende mehrere Dutzend Flüchtlinge aus Finnland zurückgekehrt. Sie waren dort mit einwandererfeindlichen Demonstrationen konfrontiert worden. Einige von ihnen sollen in der finnischen Stadt Kemi sogar mit dem Tod bedroht worden sein.

Laut dem Schwedischen Rundfunk (SVT) vom Sonntagabend waren sie auf der finnischen Seite der Grenze in der Doppelstadt Haparanda/Tornio von einer Menschenkette aus über hundert Demonstranten gestoppt worden, die für eine sofortige Schließung der Grenzen demonstriert hatten.

Situation in Europa

Seit Wochen versuchen zehntausende Syrer und andere Flüchtlinge, nach Europa zu gelangen, wobei Deutschland bevorzugtes Ziel ist. Vor allem osteuropäische Staaten wehren sich gegen die Einführung verbindlicher Quoten für die Verteilung der Flüchtlinge, wie sie von der EU-Kommission angestrebt werden. Insgesamt sollen so 160.000 Flüchtlinge in der EU verteilt werden. Ein Treffen der EU-Innenminister brachte am vergangenen Montag keine Einigung in der Quotenfrage. Am Dienstag sollen die Minister erneut tagen, am Mittwoch treffen sich dann die Staats- und Regierungschefs. (july/APA, 21.9.2015)