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Im Gegensatz zu herkömmlicher Schwarmintelligenz liegt es bei Wikifolio am Anleger, den klügsten Teilnehmer zu erwischen.

Foto: AP/Hildenbrand

Wien – Die Idee hinter dem Finanzportal Wikifolio.com ist grundsätzlich leicht nachvollziehbar: Selbsternannte Investmentgurus können ebenso wie hartgesottene Finanzprofis auf der Seite gewissermaßen Musterdepots anlegen und regelmäßig betreuen, die – sofern sie sich bewähren und gewisse Voraussetzungen erfüllen – über eine Partnerbank in tatsächlich investierbare Zertifikate gegossen werden. Somit können Anleger gewissermaßen per Autopilot auf jene Personen und deren Investmentstrategien setzen, die bisher durch überdurchschnittlichen Anlageerfolg hervorgestochen sind.

Insgesamt 3430 dieser Investmentzertifikate hat das Portal, das seit August 2012 von der Wiener Firma Wikifolio Financial Technologies betrieben wird, bisher hervorgebracht. In dieser Zeit wurden über die Hinterlegung der realen Finanzanlagen für die Zertifikate insgesamt 6,5 Milliarden Euro an den Börsen bewegt.

Investieren in das Team

"Wir sehen, dass das Angebot gut ankommt", sagt Christina Oehler, die für das Wikifolio-Marketing zuständig ist. "Ohne Investitionen könnten wir schwarze Zahlen schreiben. Aber wir investieren in das Team und den Ausbau der Plattform." Das Unternehmen deckt mit 35 in Wien ansässigen Mitarbeitern den deutschsprachigen Markt ab, blickt aber bereits über den Tellerrand. "Momentan sehen wir uns den skandinavischen Markt an", erläutert Oehler die geplanten Expansionsschritte. "Wir schielen auch nach Großbritannien, weil dort der Markt für Zertifikate sehr groß ist."

Einnahmenseitig stützt sich Wikifolio auf zwei Gebührenelemente. Einerseits werden von den Zertifikateinhabern jährlich 0,95 Prozent des aktuellen Werts eingehoben. Dazu kommt eine Performancegebühr von fünf bis maximal 30 Prozent des erzielten Gewinns, gemessen am jeweiligen Jahreshöchststand. Dieser Betrag wird zwischen Wikifolio und dem Betreuer des Portfolios, das dem Zertifikat zugrunde liegt, geteilt.

"Die Entwicklung ist grundsätzlich sehr interessant", sagt Klaus Schreiner vom Verein für Konsumenteninformation (VKI), der Wikifolio als mögliche Alternative zu klassischen Investmentfonds ansieht. Allerdings empfiehlt er den Erwerb von Wikifolio-Zertifikaten im Grunde nur fortgeschrittenen Anlegern, welche die Strategie des jeweiligen Zertifikats nachvollziehen können und sich der eingegangenen Risiken bewusst sind.

Wenige Erfahrungswerte

Dazu zählt in erster Linie das Emittentenrisiko. Im Gegensatz zu Investmentfonds handelt es sich bei Zertifikaten nicht um Sondervermögen, das bei einer Insolvenz der Fondsgesellschaft unangetastet bleibt. Ein weiterer Unterschied: Investmentfonds dürfen maximal zehn Prozent des Vermögens in Einzelanlagen stecken, für Zertifikate gibt es derartige Einschränkungen nicht. "Man sollte darauf achten, dass man sich nicht ein Klumpenrisiko einkauft", rät Schreiner. Hinsichtlich Transparenz stehen Quartalsberichte bei Investmentfonds der Offenlegung einzelner Transaktionen bei Wikifolio-Zertifikaten gegenüber.

Ein Manko ortet Schreiner in den kurzen Erfahrungswerten, die bei Wikifolio maximal drei Jahre betragen. Das hält der VKI-Experte für einen recht kurzen Zeitraum, zumal seit 2012 nur eine sehr ertragreiche Börsenphase abgedeckt wurde. Gute Strategien müssten sich über einen längeren Zeitraum inklusive einer ausgeprägten Schwächephase bewähren, denn: "Das Wesentliche ist die Verlustbegrenzung." (Alexander Hahn, 17.9.2015)