Wenn Werner Faymann noch etwas von Angela Merkel gewollt hätte – vielleicht das große Versprechen, dass die unsinnige CSU-Pkw-Ausländermaut wirklich niemals kommen wird -, er hätte am Dienstag in Berlin wohl eine Zusage von der deutschen Kanzlerin erhalten. Noch nie hat man die beiden Regierungschefs so freundlich und innig miteinander erlebt.

Das ist schön, denn es geht um eine sehr viel ernstere und wichtigere Frage als ein Autobahnpickerl. Da ist es doch gut, wenn Faymann Merkel als "die liebe Angela" bezeichnet. Wohlfühlatmosphäre ist schon mal die halbe Miete. Und Merkel kann ein paar lobende Worte gut gebrauchen – noch dazu, wenn sie von einem sozialdemokratischen Nachbarn kommen, der nun wirklich mit den Flüchtlingen, die ins gelobte Deutschland wollen, alle Hände voll zu tun hat.

Als "mildtätige Mutter Merkel" wurde sie noch vor einer Woche rund um den Globus gefeiert.Die kühle und rationale Merkel war zum gütigen Gesicht Deutschlands geworden, weil sie unbürokratisch so viele Flüchtlinge ins Land ließ. Doch leider währte das Flüchtlingssommermärchen der Kanzlerin nicht lange. Nach wenigen Tagen war klar, dass auch das große und reiche Deutschland überfordert ist. Seither gibt es wieder Grenzkontrollen, jede Menge Schwierigkeiten und viele Vorwürfe an Merkel.

Naiv sei sie gewesen und habe die Kontrolle verloren, lauten diese. Plötzlich wurde Merkel zur "Mutter Blamage". Man kann nun lange darüber streiten, wo Bürokratie enden und Menschlichkeit beginnen muss. Aber dass Merkel sich in einer so wichtigen Frage selbst derart korrigieren musste, das hat in Deutschland schon für einige Verwirrung gesorgt.

Sie ist auch deshalb so populär, weil viele Deutsche das Gefühl haben, ihre Regierungschefin habe einfach alles irgendwie im Griff. Nun, in der Flüchtlingskrise zeigt sich, dass das eben nicht der Fall ist. Deutschland kann die Krise nicht alleine lösen. Es herrscht sogar da und dort die Meinung, dass Merkels Gastfreundschaft vielmehr Teil des Problems ist.

Da kann Merkel schon ganz dankbar sein, dass ihr Faymann keine großen Vorwürfe macht, sondern – im Gegenteil – betont, dass zwischen ihn und die deutsche Bundeskanzlerin in puncto Menschlichkeit kein Blatt Papier passt.

Es ist für Merkel auch nicht ungünstig, wenn nicht sie alleine einen EU-Sondergipfel fordern muss, weil die Zustände am Münchner Hauptbahnhof oder in den deutschen Aufnahmezentren von alleine sicher nicht besser werden in den nächsten Wochen. Zu oft hat sie sich in den vergangenen Jahren anhören müssen, sie dominiere Europa im negativen Sinn. Aber wenn zumindest Österreich an ihrer Seite ist, dann ist man schon zu zweit. Die Schweden, die auch zu den Guten und Großzügigen gehören, sind ja quasi auch im Boot, sie wurden von Faymann und Merkel immer wieder erwähnt.

Doch so wichtig die gute Nachbarschaft zwischen Deutschland und Österreich auch ist – sie ist eben nur die halbe Miete. Gelöst ist das Problem noch lange nicht. Und nur weil das große Deutschland und das kleine Österreich zusammenhalten, heißt das nicht, dass sich für die vielen Menschen auf der Flucht schon real etwas verbessert hat. Diesbezüglich müssen Werner und Angela erst noch liefern, und das hoffentlich bald. (Birgit Baumann, 15.9.2015)