Medikament identifiziert und die richtige Einnahme kontrolliert: Hilfe bei der Medikamenteneinnahme per Datenbrille.

Foto: FH Campus Wien

Wien – Der Brillenbügel vibriert. Über die Schädelknochen wird so ein akustisches Signal übertragen. Es bedeutet: Medizin einnehmen. Ein Bild der richtigen Medikamentenpackung wird auf das Brillenglas projiziert. Der Träger der Datenbrille hält den Strichcode jener Packung, die er für die richtige hält, vor die Kamera der Brille. Der Schriftzug "Sehr gut. Sie haben Prüfofix in der Hand" erscheint als Projektion vor dem Auge. Die Tablette wird eingenommen. Die Sensorik der Brille erkennt die Schluckbewegung und protokolliert die erfolgreiche Einnahme.

Auch wenn der Verkauf der Datenbrille Google Glass gestoppt wurde, könnte eine neue Version – oder eine ähnliche eines Mitbewerbers – künftig älteren Menschen dabei helfen, besser durch den Tag zu kommen. Die App, die von der FH Campus Wien am vergangenen Wochenende beim Forschungsfest der Wiener Wirtschaftsagentur präsentiert wurde, gibt mit der Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme ein Beispiel für eine Anwendung im Bereich des sogenannten Ambient-assited Living, also seniorengerechter Assistenzsysteme.

Gernot Korak vom Fachbereich Hightech-Manufacturing der FH Campus Wien und Projektmitarbeiter Bernhard Taufner sehen eine sinnvolle Assistenzfunktion der Datenbrille aber keineswegs auf den Einsatz in den eigenen vier Wänden beschränkt.

Nach den Privacy-Debatten um Google Glass sehen die Brillenhersteller Anwendungsgebiete vermehrt in einem professionellen Bereich: Wartungstechniker, die Beschreibungen einer zu reparierenden Maschine eingeblendet bekommen; Bauarbeiter, die die Pläne eines Fertighauses bei Bedarf durch die Datenbrille vor Augen haben; Fertigungstechniker, die Spezifikationen und Details individueller Werkstücke in ihrer Brille sehen – für derartige Anwendungen sollen in einem Projekt an der FH Campus Wien Techniken erarbeitet werden.

Die Hände bleiben frei

Mittels der durchgängigen Digitalisierung der Produktion in einer mit Kommunikationstechnologien aufgerüsteten Industrie 4.0 können Planungsunterlagen via vernetzte Ausgabegeräte nutzbar gemacht und beispielsweise in Handlungsanweisungen für Mitarbeiter übersetzt werden. Eine entsprechende Software könnte Schnittstellen zu Planungstools, etwa CAD-Programmen für die 3-D-Konstruktion von Werkstücken herstellen.

Die Inhalte, geladen aus entsprechenden Clouddatenbanken, verändern sich beim Blick durch die Datenbrille je nach Kontext, etwa Ort und Blickrichtung. Der Blick in Papierpläne, Materiallisten und andere Unterlagen würde durch die neue Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine überflüssig, und die Hände der Benutzer blieben für die Arbeit frei. Baut man in die Software Funktionen an, einen aktuellen Status – etwa erledigte Zwischenschritte – zurückfließen zu lassen, lässt sich auch die Arbeit von Teams koordinieren.

Auch die Handlungsanweisungen für Menschen, die sich von der Brille bei ihrer täglichen Medikamenteneinnahme assistieren lassen, sind Teil einer vernetzten Umgebung. Eine kleine Datenbank füttert die App mit den richtigen Medikamenten und den passenden Uhrzeiten. Ergibt die Auswertung der Protokolldatei, dass ein Medikament nicht eingenommen wurde, werden SMS oder E-Mails an Betreuungspersonen oder behandelnde Ärzte geschickt. (pum, 16.9.2015)