Es ist erstaunlich, welche Sorgen im Zusammenhang mit Migration und Integration auftauchen. Michael Breisky (DER STANDARD, 9. 9. 2015) meint etwa, ein Hauptindikator für mangelnde Integrationsbereitschaft der Zuwandererinnen und für steigende Fremdenfeindlichkeit bei Österreichern sei das Tragen des Hijab, des Kopftuchs muslimischer Frauen, das den ganzen Kopf außer dem Gesicht verhüllt. Es indiziere im Grunde eine Ablehnung der hiesigen Kultur als minderwertig, werde von Einheimischen als Integrationsverweigerung gedeutet und sei daher durch verschiedene Maßnahme zu unterbinden (materielle Anreize für Frauen, die darauf verzichten, Dresscodes in Ämtern im Publikumsverkehr).

Verlangt dies der Schutz unserer "gewachsenen Kultur" (ich glaubte immer, wachsen würden nur Pflanzen) wirklich? Man sollte hier wohl unterscheiden zwischen dem Hijab, der das Gesicht durchaus frei lässt, und der Burka oder dem Niqab, durch welche auch das Gesicht selbst verdeckt oder verschleiert wird; diese Form widerspricht wohl eindeutig der Menschenwürde und wurde daher in einigen Ländern (Frankreich, Belgien, Niederlande) gesetzlich verboten (nicht so allerdings vom österreichischen Parlament).

Welche gravierenden Einwände bestehen gegen den Hijab? Warum sollte man sich an ihn nicht gewöhnen, wem schadet er wirklich? Ist er im Übrigen nicht dem Kopftuch sehr ähnlich, das Bäuerinnen in vielen Teilen Österreichs getragen haben (oder noch tragen)? Auch Wandlungen der Kleidermoden hierzulande – etwa Miniröcke, Hot Pants usw. – haben anfangs viele Menschen "gestört"; heute finden wir nichts Besonderes mehr daran. Die Aufregung darüber hat sich auch deshalb gelegt, weil sie sich nicht überall und bei allen durchgesetzt haben, ja sogar wieder weniger getragen werden. Nicht anders wird es mit dem Hijab sein. (Max Haller, 14.9.2015)