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Seit Jahren schickt Russland Hilfsgüter nach Syrien – hier ein Transport nach Latakia im Jahr 2013. Nun forciert Moskau auch die militärische Zusammenarbeit mit Damaskus.

Foto: Reuters / Sana

"Russland hat nie ein Geheimnis aus der militärisch-technischen Zusammenarbeit mit der Syrischen Arabischen Republik gemacht. Unser Land liefert Syrien in Übereinstimmung mit bilateralen Verträgen seit langem Waffen und Militärtechnik", erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa, nachdem die jüngsten Rüstungslieferungen, darunter auch schweres Gerät, ruchbar wurden.

Die Informationspolitik des Kreml in Syrien erinnert an die Vorgänge in der Ukraine, wo es die Wahrheit ebenfalls zumeist scheibchenweise gab, wenn die Gegenseite schon darüber berichtet hatte. Der russische Nahostexperte Alexej Malaschenko jedenfalls fühlte sich an das Krim-Szenario erinnert, "wo es zunächst keine russischen Soldaten gab, dafür aber hinterher der Kreml das Vorhandensein ‚höflicher Menschen‘ auf der Halbinsel einräumte".

Ein "zweites Afghanistan"...

Die Geheimhaltung ist verwunderlich. Hat Moskau doch selbst kürzlich noch die Notwendigkeit einer großen Koalition im Nahen Osten gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) betont und auch versucht, Unterstützung dafür zu bekommen, Syriens Armee und Kurden als Bodentruppen des Antiterrorkampfs anzuerkennen. Präsident Bashar al-Assad wäre damit zum Verbündeten des Westens gekürt worden, was sowohl im arabischen Raum als auch in Washington wenig Gegenliebe fand. Der Alleingang ist Indiz dafür, dass Moskau seine diplomatische Offensive als gescheitert ansieht. Klar ist: Einen zweiten Afghanistankrieg kann sich Russland nicht leisten.

Laut dem Politologen Fjodor Lukjanow zielt der Kreml darauf ab, den IS-Vormarsch auf Syriens Hauptstadt zu stoppen: "Damaskus ist eine der kulturgeschichtlichen Hauptstädte der arabischen Welt und Teil des europäischen zivilisatorischen Erbes. Sein Fall würde zum Symbol des irreversiblen Rückzugs der Moderne aus dem Nahen Osten" mit riesigem Propagandaeffekt für den IS, warnt Lukjanow.

...oder eine "alawitisches Israel"

Als Erfolgsszenario für Syrien bezeichnet er ein "alawitisches Israel": ein von außen gestützter Staat, der stark genug ist, die Fundamentalisten zu bekämpfen. Tatsächlich ist Moskaus Einsicht korrekt, dass der IS, der schon an der Entwicklung von Giftgas arbeiten soll, sich allein durch Luftschläge nicht eindämmen lässt.

Es bedarf einer Bodenoffensive. Der Kreml spekuliert darauf, durch die Stärkung der syrischen Armee den Status des verbündeten Assad-Clans so weit zu stabilisieren, dass er in Verhandlungen über die Zukunft des Landes – sei es eine sektorale Aufteilung oder eine Übergangsregierung – weiter eine entscheidende Rolle spielt, selbst wenn Assad persönlich zurücktreten müsste.

"Halbstarke Supermacht"

Damit will Russland seinen Status, "wenn schon nicht einer Supermacht, so doch einer halbstarken Supermacht mit nationalen Interessen in verschiedenen Regionen der Erde" stärken, so Malaschenko. Die Treue zu Assad wird in Moskau zudem als Unterpfand für Russlands Image als verlässlicher Verbündeter gesehen. So kann sich der Kreml als Gegenpol zum Weißen Haus etablieren und in Teilen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens auf Partner hoffen.

Daneben gibt es aber auch durchaus innenpolitische Gründe für eine Aktivierung: Laut dem russischen Geheimdienstchef Alexander Bortnikow kämpfen über 1700 Russen in den Reihen der Terroristen, die aktiv im Land um neue Anhänger werben. Speziell für den Kaukasus bleibt der IS mit seiner Anziehungskraft, die mit jedem militärischen Erfolg der Fundamentalisten steigt, ein Destabilisierungsfaktor. Es ist darum einfacher, diese Kämpfer in Syrien zu bekämpfen, als sich nach ihrer Rückkehr gegen Terroranschläge zu wappnen. (André Ballin aus Moskau, 12.9.2015)