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Es gebe einigen Handlungsbedarf in der Organisation der professionellen Pflege, befinden Caritas und Patientenanwalt.

Foto: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Wien – Der Pflege- und Betreuungsbedarf steigt in Österreich Jahr für Jahr an, und betroffene Organisationen sehen angesichts der derzeit rund 455.000 Pflegegeldbezieher Handlungsbedarf seitens der Politik. Vorschläge für ein zukunftstaugliches Pflegesystem präsentierten Caritas-Präsident Michael Landau und Patientenanwalt Gerald Bachinger bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag in Wien.

Das Thema Pflege solle endlich aus der Sozialhilfe-Logik befreit und solidarisch finanziert werden, forderte Landau, "bis heute ist das nicht der Fall". Eine Erhöhung des Pflegegeldes sei längst überfällig, seit der Einführung im Jahr 1993 habe das Pflegegeld knapp 30 Prozent an Wert verloren. Die zuletzt beschlossene Erhöhung um zwei Prozent "kann nichts anderes als ein erster Schritt sein", sagte der Caritas-Präsident, und plädierte für eine laufende indexgebundene Valorisierung des Pflegegelds. "Betroffene stehen vielfach mit dem Rücken zur Wand", die Erhöhung um zwei Prozent verschaffe "alles andere als Luft zum Atmen".

Österreichweit einheitliche Standards

Patientenanwalt Bachinger trat dafür ein, den Pflegefonds "zum zentralen Finanzierungs- und Steuerungsinstrument im Pflegebereich" zu machen, daneben seien "österreichweit einheitliche Qualitäts-, Versorgungs- und Finanzierungsstandards" vonnöten. Die Caritas fordert, den Pflegefonds "zumindest bis zum Jahr 2020" zu verlängern, Planungssicherheit über das Jahr 2016 hinaus sei im Moment nicht gegeben.

Bachinger wie Landau begrüßten, dass das Gewerbe der Personenbetreuung von jenem der Vermittlung getrennt wird, wie auch den Umstand, dass Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nun Standes- und Ausübungsregeln für die 24-Stunden-Pflege ausarbeiten lässt. Solche Mindeststandards würden aber nicht genügen, sagte Landau, und sprach sich für einheitliche Qualitätsstandards und ein Qualitätsgütesiegel aus. Ein solches hätte für Angehörige Signalwirkung. Für Anbieter, die sich einer solchen Zertifizierung unterziehen würden, können sich beide einen Bonus vorstellen.

Beim Themenkomplex Demenz unterstrich Landau, dass Demenzerkrankungen "schon heute der häufigste Grund für Pflegebedürftigkeit" seien. Derzeit leben in Österreich rund 130.000 an Demenz erkrankte Menschen, bis zum Jahr 2050 wird mit einer Verdoppelung gerechnet. Auch hier seien Änderungen beim Pflegegeld erforderlich, die Pflegegeldeinstufung müsse dringend verbessert werden, sagte Landau. Die sogenannte Erschwerniszulage sei eine "völlig ungeeignete Maßnahme, um den tatsächlichen Bedarf und die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz abzubilden", sagte Bachinger. Für die geplante Demenzstrategie der Regierung müssten "schon jetzt genügend Ressourcen bereitgestellt werden, um morgen qualifizierte Fachkräfte, Unterstützungs- und Entlastungsdienste für Betroffene und pflegende Angehörige zur Verfügung zu stellen."

Langzeitpflege hintangestellt

Der Caritas-Präsident und der Patientenanwalt kritisierten auch die aktuelle Reform des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes. Dieses sei aus Sicht der Betroffenen ungenügend. Der Entwurf sei rein auf die Erfordernisse der Akutspitäler zugeschnitten, gefordert sei eine Erweiterung um den Aspekt der Langzeitpflege. Hier setzen beide noch auf die versprochenen Nachverhandlungen.

Die Migration sieht Landau als eine Chance für die Pflege, schon jetzt würden mehr als zwei Drittel der Caritas-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in den Senioren- und Pflegehäusern Wurzeln in anderen Ländern als Österreich haben. Für Angehörige sei das Angebot an Pflegedienst- und Hilfsleistungen oft unüberschaubar, sagte Bachinger. Er wisse von dieser Überforderung aus eigener Erfahrung. Deswegen bedürfe es eines Koordinators, der Pflege und Betreuung sektorenübergreifend organisiert – was entsprechender Kompetenzen bedarf, wenn zum Beispiel Betroffene zwischen Krankenhaus, Pflegeheim und Heimbetreuung wechseln. (APA, 11.9.2015)