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Diese Flüchtlinge haben die Grenze in Nickelsdorf überquert. Die Regierung hat am Freitag beraten, welche Integrationsmaßnahmen in den kommenden Monaten und Jahren nötig sein werden.

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"Es macht keinen Sinn, sie nicht arbeiten zu lassen. Man soll sie aber auch nicht dort arbeiten lassen, wo sie andere verdrängen", meint Wifo-Chef Karl Aiginger

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STANDARD: Wegen der gestiegenen Flüchtlingszahlen wird es budgetäre Mehrkosten geben. Die Regierung hat den Ländern zugesagt, dass deren Zusatzkosten aus dem Stabilitätspakt herausgerechnet werden. In Brüssel wird das Gleiche für alle EU-Staaten überlegt. Wäre das sinnvoll?

Aiginger: Ich glaube schon, dass man das herausrechnen sollte. Außergewöhnliche Ereignisse sollen die Erfüllung des Stabilitätspaktes nicht beeinflussen.

STANDARD: Also Ausnahmen beim strukturellen Defizit wie bei großen Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen?

Aiginger: Ja. Ich wäre aber auch dafür, dass wir außergewöhnliche Kürzungen auf der Ausgabenseite durchführen. Bei der Flüchtlingsdebatte haben wir gesehen, wie viele staatliche Grundstücke und Gebäude nicht verwendet werden können. Wir haben so viele Kasernen, die nicht genützt werden: Das ist ein Witz. Das zeigt, welche Einsparreserven wir noch haben. Wir haben auch noch immer Subventionen auf fossile Energieträger, die reduziert werden können.

STANDARD: Ist das nicht gefährlich, wenn man den Wählern sagt: Weil wir jetzt deutlich mehr Flüchtlinge haben, müssen wir mehr sparen?

Aiginger: Das glaube ich nicht – zumindest dann nicht, wenn man kommuniziert, dass es um Privilegienabbau geht. Wir sollten die aktuelle Lage als Chance sehen. Solidarität mit Flüchtlingen ist gut und wichtig, aber vielleicht gibt es auch Solidarität mit dem Steuerzahler. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre das: Nehmen wir die Debatte als Anstoß, um die Reformmüdigkeit der letzten Monate zu überwinden. Wir sollten sagen: In ungewöhnlichen Zeiten müssen wir Reformen zustande bringen, die in normalen Zeiten nicht möglich waren.

STANDARD: Für Diskussionen sorgt auch die Forderung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach einem leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber. Auf der einen Seite brächte das Vorteile, weil die Ausgaben für die Grundsicherung sinken. Auf der anderen steigt natürlich der Verdrängungswettbewerb etwas.

Aiginger: Der steigt nur, wenn man den Arbeitsmarkt linear öffnet. Man könnte auch sagen: Wir öffnen ihn bei Jobs, für die sich keine Bewerber finden – von denen gibt es zweifellos viele. Das AMS nimmt auch gar nicht alle Jobangebote an, weil es weiß, dass sich für bestimmte Bereiche niemand findet: etwa bei Stellen für Gärtner oder persönliche Dienstleistungen. Es gibt in unserer Gesellschaft so viele Sachen, die nicht erfüllt werden. Noch wichtiger ist aber die schulische Integration: Sie verhindert künftige Arbeitslosigkeit. Ich hoffe daher auch auf einen Push bei der Schulreform.

STANDARD: Die Regierung schlägt für anerkannte Flüchtlinge ein Übergangsjahr zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt vor. Sie sollen unterstützend für Hilfsorganisationen arbeiten, bekommen dafür Sprachkurse und ein Taschengeld, aber kein volles Gehalt. Sinnvoll?

Aiginger: Ja. Taschengeld hat immer einen schlechten Ruf. Aber wenn man die Sprache lernt, ist das ein Benefit. Eine Art betreuter Job. Bei Asylwerbern gilt für mich der Grundsatz. Es macht keinen Sinn, sie nicht arbeiten zu lassen. Man soll sie aber auch nicht dort arbeiten lassen, wo sie andere verdrängen. (Günther Oswald, 12.9.2015)