Das Thema lässt die Wogen wie kaum ein anderes hochgehen. Wann und unter welchen Voraussetzungen sollen Asylwerber arbeiten dürfen? EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerte sich am Mittwoch im Rahmen einer Grundsatzrede zum Thema Flüchtlinge kurz, aber eindeutig. Er sei für eine Arbeitsgenehmigung für Asylsuchende "vom ersten Tag an". Wie er sich das in der Praxis genau vorstellt, ließ der Luxemburger aber offen. Das soll nun auf Ebene der Fachminister diskutiert werden.

Ohne jede Einschränkung wäre eine Arbeitserlaubnis ab dem ersten Tag wohl missbrauchsanfällig. So könnte beispielsweise ein türkischer Arbeitnehmer, der keine Rot-Weiß-Rot-Karte für den heimischen Arbeitsmarkt bekommt, pro forma einen Asylantrag stellen und somit zumindest für ein paar Monate – bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist – in Österreich arbeiten. Das wäre zum einen nicht sinnvoll und würde zum anderen das Misstrauen gegen jene, die tatsächlich Asyl brauchen, vergrößern.

Klar ist aber auch, dass Österreich derzeit eine zu restriktive Regelung hat. Abgesehen von Bewilligungen für Lehrlinge gibt es nur die Möglichkeit, nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis vom Arbeitsmarktservice für Saisonbeschäftigungen im Tourismus und in der Landwirtschaft zu bekommen. In der Praxis funktioniert das Modell schlecht bis gar nicht. Im ersten Halbjahr 2015 wurden nur 176 Bewilligungen ausgestellt.

Damit vergeudet Österreich Qualifikationen von Flüchtlingen. Warum sollte man einen gelernten syrischen Mechaniker als Erntehelfer einsetzen? Warum sollte man einen irakischen Schweißer als Kellner einsetzen? Das ist unsinnig. Man erreicht damit nur Frustration bei den Betroffenen und fördert Schwarzarbeit oder Dequalifikation. Eine Ausweitung der aktuellen Regelung auf alle Branchen – bei entsprechender Berücksichtigung des regionalen Jobbedarfs – wäre daher sinnvoll. Sie würde die Integration erleichtern und könnte ein Beitrag zur Entlastung der Sozialtöpfe sein. Jetzt gibt es für Asylwerber schließlich nur die Möglichkeit, das Verfahren in der Grundversorgung abzuwarten.

Wichtiger als die Frage, ob Flüchtlinge nach ein, zwei oder drei Monaten Jobs annehmen dürfen, ist aber ohnehin jene, wie schnell Asylverfahren erledigt werden. Wenn der Status nach wenigen Monaten geklärt ist, erübrigt sich die Arbeitsmarktdebatte. Die Ankündigung von Innenministerium Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), neue Verfahren nicht mehr prioritär abzuarbeiten, ist daher mehr als kontraproduktiv. Die Regierung muss vielmehr entsprechend Personal bereitstellen, damit jahrelange Verfahren nicht mehr möglich sind.

Man sollte aber auch nicht den falschen Eindruck erwecken, das Asylthema wäre eine Win-win-Situation für alle Seiten. Bei weniger gut Qualifizierten wird der Verdrängungswettbewerb weiter zunehmen. Das wird vor allem für Ostösterreich eine Herausforderung, wo der Druck bereits nach der Arbeitsmarktöffnung für die neuen EU-Staaten zugenommen hat.

Dennoch sind umfassende Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt alternativlos. Viele von ihnen werden in Österreich bleiben. Ob man das will oder nicht. Daher muss die rot-schwarze Regierung jetzt in diese Menschen investieren, damit später nicht noch wesentlich höhere Folgekosten – Stichwort Mindestsicherung – anfallen (Günther Oswald, 10.9.2015)