Sollte die Wahl in Oberösterreich zur roten Niederlage werden, geht Reinhold Entholzer, sobald es aus dem Parteivorstand heißt: "Reini, du nicht mehr."

Werner Dedl

STANDARD: Sozialminister Rudolf Hundstorfer schließt eine Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber nicht mehr kategorisch aus. Befürworten Sie eine entsprechende Lockerung?

Entholzer: Wenn man es vernünftig macht, kann ich gut damit leben. Es gibt Mangelberufe, wo so eine Öffnung gut passen würde. Es gehört nur ordentlich organisiert.

STANDARD: Welche Berufe konkret?

Entholzer: Die Details, welche Sparten einen Arbeitskräftemangel haben, muss man genau analysieren. Aber dort, wo Kräfte fehlen, soll es Möglichkeiten geben.

STANDARD: Braucht es für eine strategische Asylpolitik tatsächlich ein Integrationsministerium, wie Sie es jüngst gefordert haben?

Entholzer: Davon bin ich zutiefst überzeugt – ein "Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit, Zuwanderung und Inte gration" wäre für eine bessere Koordination sicher sinnvoll.

STANDARD: Aber für all diese Agenden gibt es bereits Zuständige in der Bundesregierung ...

Entholzer: ... ja, verteilt auf vier Ministerien.

STANDARD: In Oberösterreich hat bis dato nicht einmal die Hälfte der 442 Gemein- den Flüchtlinge aufgenommen. Sollte man nicht, statt mehr Bürokratie anzudenken, eher an die kommunale Verantwortung appellieren?

Entholzer: Es wäre ja ein Weniger an Bürokratie, weil man eben nicht vier Ministerien braucht, um eine Regelung zu bekommen.

STANDARD: In Oberösterreich hat sich das rote Sozialressort das Ziel gesetzt, bei der Unterbringungen von Flüchtlingen in Gemeinden bis Jahresende die 50-Prozent-Hürde zu nehmen. Angesichts der Zuwanderungsdramatik ein bescheidenes Ziel, oder?

Entholzer: Nein, überhaupt nicht. Wir verordnen halt nichts, sondern setzen auf eine Zusammenarbeit mit den Gemeinden. So etwas braucht eben Zeit.

STANDARD: Sie werden als SPÖ-Landesparteichef wahrscheinlich oft von roten Bürgermeistern mit Wünschen und Anliegen überhäuft. Warum dreht man nicht einfach einmal den Spieß um und erhöht in der Flüchtlingsfrage den Druck auf so manchen "Genossen Bürgermeister"?

Entholzer: Erstens sind sehr wenige rote Gemeinden säumig. Zweitens funktioniert es nur mit Diplomatie. Wenn du irgendjemandem etwas aufs Auge drückst, was er nicht mag, dann wird er dir beweisen, dass es nicht funktioniert. Und die kommen dann zu mir und sagen: "Na bitte, jetzt hast den Schas." Da ist dann die Aufregung groß. Mit Druck funktioniert nichts.

STANDARD: Andere Parteien beklagen, dass das Asylthema im Wahlkampf alles über lagert – ein Problem auch für die SPÖ?

Entholzer: Das Kriegsflüchtlingsthema war sicher nicht unser Wunschthema.

STANDARD: Aber vielleicht kommt es der SPÖ gar nicht so ungelegen, da man sich insbesondere in Oberösterreich offensichtlich hart tut, eigene Themen zu platzieren, oder?

Entholzer: Sie sehen keine SPÖ-Themen? Also da muss man schon bewusst wegschauen. Der Vorwurf, wir hätten keine neuen Themen, ist doch lächerlich. Bei uns hat sich an den Werten nichts geändert. Und es hat sich an der Themenstellung, dass etwa Arbeit an erster Stelle steht, nichts geändert. Gleich gefolgt von Bildung und Kinderbetreuung. Gut, vielleicht altbekannte Themen. Aber darum geht es den Menschen heute nun einmal.

STANDARD: Durchaus. Aber der Kern Ihrer Wahlstrategie ist der ABC-Plan (Arbeit, Bleibe, Cash) – diese Inhalte setzt man doch vor aus bei der SPÖ. Ist das innovativ genug, immerhin droht der SPÖ in Oberösterreich erstmals der Verlust des zweiten Platzes?

Entholzer: Nochmal: Das sind die wichtigen Themen, die die Menschen bewegen.

STANDARD: Alle anderen Parteien in Oberösterreich haben bei den Wahlkampfauftakten das "Bundes-Ass" gezückt und die Parteispitzen aus Wien geladen. SPÖ-Chef Werner Faymann war beim roten Startschuss am Traunsee nicht dabei. Wahrt man eine eventuell "gesunde" Distanz zur Bundespartei?

Entholzer: Wir haben immerhin den Wahlkampfauftakt fünfmal gemacht – in jedem Wahlkreis. Medial wurde nur die Schifffahrt auf dem Traunsee wahrgenommen.

STANDARD: Aber warum verzichtet man auf den Kanzlerbonus?

Entholzer: Die Bundespartei ist ausreichend vertreten. Ich war unter anderem mit Sozialminister Rudi Hundstorfer und Infrastrukturminister Alois Stöger unterwegs.

STANDARD: In Umfragen zur Landtagswahl am 27. September liegt die SPÖ bei unter 20 Prozent. Können Sie noch ruhig schlafen?

Entholzer: Danke, ja. Wir werden jetzt noch alles daransetzen, um den zweiten Platz zu halten. Und das ist bitte sehr wohl machbar. Unser Wahlziel sind 25 Prozent plus x.

STANDARD: Kommt ein Rücktritt im Falle einer Niederlage für Sie infrage?

Entholzer: Ich denke heute sicher noch nicht an meinen Rücktritt. Ich bin nicht einer, der bei einer Niederlage beleidigt geht. Aber ganz klar: Ich bin auch kein Sesselkleber – sollte der Parteivorstand sagen: "Reini, du nicht mehr", werde ich natürlich gehen.

STANDARD: Haben Sie in den letzten drei Jahren je bereut, die Parteiführung der oberösterreichischen SPÖ übernommen zu haben?

Entholzer: Nein. Es war mir von Anfang an eines klar: Der Vorsitz einer SPÖ-Landespartei ist kein Honiglecken.

STANDARD: Nach der Wahlniederlage 2009 hat die SPÖ Oberösterreich das Reformprojekt "Morgenrot" gestartet. Doch irgendwie scheint man ohne große Ergebnisse in die Abenddämmerung gezogen zu sein, oder?

Entholzer: Vieles ist geblieben. Vor allem haben wir uns bei diesem Prozess damit auseinandergesetzt, ob es neue Richtlinien braucht – ob wir uns neu aufstellen müssen. Und wir haben gemerkt: Nein, müssen wir nicht. Denn es geht noch immer um die SPÖ-Grundwerte: Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität.

STANDARD: Nimmt man parteiinterne Kritiker, die sich in der SPÖ gerne lautstark zu Wort melden, eigentlich ernst genug?

Entholzer: Natürlich. Aber wir können nicht auf jeden Zuruf reagieren. Mit einem Zuruf ist man schnell in den Medien – die Frage ist, was dann herauskommt dabei. Es geht nur ein Miteinander. Das ist heute in der SPÖ schwerer. Früher hat halt der Kreisky zweimal gebrummt, und ruhig war's. (Markus Rohrhofer, 11.9.2015)