Schürze, anders gedacht: Modelle der österreichischen Labels Sheela (oben) und Sisi-Top (unten).

Foto: Sheela, Sisi-Top

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Ein Stoffstück, zwei Bänder: Einst war sie Symbol für die glückliche Hausfrau, später das Gegenteil. Heute bekommt die Schürze eine neue Chance.

Foto: dapd / Ross Setford

Oma trug ständig eine, und zwar die Ganzkörpervariante namens Kittelschürze, vorzugsweise mit Blumenmuster und in allen Lebenslagen. Ein simpleres Kleidungsstück als die Schürze gibt es nicht – meist ein rechteckiges Stück Stoff, ein paar Abnäher und Bänder zum Verknoten, und doch hat sie ihren Reiz. Abseits von Oktoberfest und Kirchtag erlebt sie gerade einen Boom, dabei galt sie noch bis vor kurzem als Symbol der Rollenfixierung der Frau.

Instagram etwa spuckt 250.000 Bilder zum Hashtag #apron aus, auf denen Menschen jeden Alters und Geschlechts damit posieren. Auf Ebay und Liebhaberseiten und Blogs wie Tie One On, apronmemories.com, flirtyaprons.com oder Annie's Attic auf der Onlineplattform Etsy werden Retroschürzen und Schnittmuster gehandelt. Den 25. November dieses Jahres hat eine Website gar zum "Tie One On Day" ausgerufen: Schürze umbinden und dem Nachbarn etwas Selbstgebackenes vorbeibringen lautet das zweifelhafte Motto. So wie es Bree Van de Kamp aus "Desperate Housewives" immer macht.

Flirty Kochschürzen

Dabei haben sich die Frauen gerade erst vor wenigen Jahrzehnten von der Schürze befreit. Die ersten Schurze in Mitteleuropa des 13. Jahrhunderts dienten zwar noch vorwiegend arbeitenden Männern als Schutz vor Schmutz und Beschädigung der Kleidung. Ab dem 15. Jahrhundert entwickelte sich die Schürze aber schon zum Symbol der Frau – oft mit niedrigem gesellschaftlichen Status, auch wenn sie zwischendurch Damen des Bürgertums als Accessoire trugen. Bilder von Dienstmädchen mit berüschten weißen Latzschürzen sorgen bis heute für das erotische Moment, das die Schürze immer noch hat: Amazon findet gleich bei den ersten Treffern eine kokette, sogenannte "flirty Kochschürze" für Sie und eine "Alpenboy mit Sixpack"-Variante für Ihn.

Erst später wurde die Schürze zum Symbol der festgefahrenen Rolle der Hausfrau. Über eine unendliche Schürzenserie, die zur Massenuniformierung der Hausfrauen in den 1970ern führt, schreibt Elke Gaugele in ihrem Buch "Schurz und Schürze". Die Kataloge der großen Versandhäuser wie Neckermann und Quelle waren voll von scheinbar geklonten Models, die die Stoffmuster präsentierten. 1966 versetzte die Zeitschrift "Petra" mit dem Titel "Die gute alte Kittelschürze ist entthront" dem Kleidungsstück dann aber den revolutionären Todesstoß, so Gaugele, die Professorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien ist. Von da an schrumpfte das Schürzenangebot in den Katalogen tatsächlich kontinuierlich.

Vorbild für die Mode

Doch etwas ist dran an dem Stück Stoff, das oft für großes Kino sorgt: Nicht umsonst wechselte Judy Garlands Schürzenkleid, das sie in "The Wizard of Oz" trug, vor wenigen Jahren bei einer Auktion für 480.000 US-Dollar den Besitzer und zierten Gina Lollobrigida und Sophia Loren die italienische Filmgeschichte mit knallengen Kittelschürzen.

Modelabels interpretieren die Details der sogenannten Vorbinder neu. Bei der New York Fashion Week schickten einige Designer, darunter Marc Jacobs, für die Präsentation ihrer Frühling/Sommer-2015-Kollektionen Models mit von Schürzen inspirierten Röcken und Kleidern über den Laufsteg. Miu Miu zeigte bei der Paris Fashion Week in seiner Ready-to-wear-Kollektion für vergangenen Herbst kittelschürzenartige Kleider. Modelabels wie Commes des Garçons, Maison Martin Margiela, Dolce & Gabbana und Missoni spielen seit den 1990ern immer wieder mit schürzenähnlichen Anleihen und führen dabei die eigentliche Funktion ad absurdum – etwa mit durchsichtigen Tüll-Latzkleidern. Jean Paul Gaultier funktionierte das Vorbild auch für Männer um. Das Schweizer Modelabel Akris ging gar den umgekehrten Weg von einer reinen Schürzenerzeugung zum Modehaus.

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Judy Garlands Schürzenkleid wechselte für 480.000 Dollar den Besitzer.
Foto: Warner Bros/Alastair Grant/AP

Warum die Schürze für die Mode interessant ist? "Es ist ein einfaches Kleidungsstück, das wie ein Accessoire eingesetzt werden kann. Ein Look lässt sich damit schnell neu stylen", sagt Branchenkennerin Claudia Reifberger von der Universität für angewandte Kunst in Wien. Ein weiteres Argument: die Sexiness der Tatsache, dass sie sich nur durch Ziehen an einer Masche oder Drücken von Knöpfen schnell öffnen lässt. Das lässt sich auch kommerziell gut verwerten: Hippe Bäckereien und Shops aber auch Großkonzerne entdecken die Schürze als praktisches Marketingaccessoire wieder. Zuletzt integrierte die AUA die Vorbinder neu designt in ihre neuen Mitarbeiteruniformen. Reifberger sieht einen Trend zu naturnahen Stoffen, die robust wirken und Professionalität transportieren.

Liebkind zum Schnüren

Ein Metier, in dem die Schürzen zur Grundausstattung gehören, ist die Gastronomie. Ein echtes Faible dafür hat Stefanie Herkner vom Gasthaus Zur Herknerin in Wien: Sie besitzt mindestens 40 verschiedene Modelle mit Stickereien, gepunktet und mit Waldviertler Blaudruck. "Wenn ich die Schürze anziehe, bin ich auf einer Bühne, sie ist mein Erkennungszeichen", schildert sie ihre Rolle als Wirtin. Eine Anekdote hat sie auch parat: Als sie ihr Lokal aufsperrte, überreichte ihr eine wildfremde Dame ein Glücksschwein und zwei Schürzen – bunte Mosaike auf dünnem Jersey.

Schürzen für die AUA-Mitarbeiterinnen – designt von Marina Hoermanseder.
Foto: austrian airlines

Dass in der österreichischen Gastroszene die klassischen weißen Halbschürzen am beliebtesten sind, beobachtet Michael P. Walter vom Berufsbekleidungshandel Der Walter. Ihm fällt aber auch auf, dass Privatkunden wieder gerne Schürzen kaufen, um daheim ihren kulinarischen Hobbys nachzugehen. Vor allem die Unisex-Bistroschürze sei heute wieder ein gern getragenes Accessoire in der Küche, das sich Männer und Frauen umschnüren.

Der deutschsprachige Onlinemarktplatz Dawanda etwa verzeichnet nach eigenen Angaben mehr als 3.000 Suchanfragen pro Woche zum Thema Schürze. Den Boom erleben auch kleine heimische Designer: Das Linzer Label Sisi-Top setzt auf Recyclingmode. Designerin Kathrina Becker macht aus alten Jeans maßgefertigte Latzschürzen. Vor drei Jahren wurde das Saalfeldener Label Sheela, das Modelle mit Kuh-, Comic- und Retroprint mit Partnerlooks anbietet, von der Nachfrage regelrecht überrannt, sodass Eine-Frau-Unternehmerin Jasmin Stanonik dem Druck nicht mehr standhielt und das Designgewerbe ruhend melden musste. Selbst der Onlineriese Zalando klopfte damals bei ihr an. Nun will es die Salzburgerin erneut versuchen, motiviert von den hunderten Zuschriften, die sie nach einem Artikel im Wirtschaftsmagazin "Brand eins" bekam, der ihre Geschichte schilderte.

Und Oma? Die macht mit mittlerweile 93 den Trend nicht mehr mit. Schluss, aus, unpraktisch sind die Kittel, meint sie. Sie trägt jetzt Hose. Dabei hängen noch nagelneue Modelle im Kleiderschrank. (Marietta Adenberger, Rondo, 17.9.2015)