Eines wird im Modezelt vor dem Museumsquartier schnell klar: Wenn am ersten Tag der MQ Vienna Fashion Week Couture gezeigt wird, kommen die einen mit H&M-Sackerl und die anderen in Highheels. Und sonst so, an diesem frühen Dienstagabend? Ist das Publikum erstens ziemlich jung, zweitens überwiegend weiblich und besetzt drittens das Zelt um 18 Uhr nur lückenhaft.

Dabei haben die Berliner Designer Niklas Kauffeld und Matthias Jahn für ihre Show "einen Hauch von 1001 Nacht" versprochen. Und ja, die beiden geben sich alle Mühe, dieses Versprechen auch noch freizügig zu gestalten. Mit Paillettenkleidern, die seitlich geschlitzt die Schenkel der Models freilegen. Mit Pumphosenanzügen, über und über gerafften Kleidern mit übergroßen Krägen und, na ja, blitzenden Schulterspitzen. Doch dem nicht genug.

Foto: Thomas Lerch

Ein Tuscheln geht durchs Publikum: Ja, die Frau mit den blondierten Haaren und den prallen Silikonbrüsten ist unter ihrem transparenten Kaftan vom Schlüsselbein bis zur Zehenspitze nackt. Und ja, diese Frau ist bekannt aus Dschungelcamp und Co: Sie heißt Micaela Schäfer. Die Smartphones glühen.

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Zugegeben, in Sachen Freizügigkeit ist die Show der Berliner, die im Juli auch schon in der deutschen Hauptstadt zu sehen war, nicht zu toppen. Hat Designer Richard Rozbora, der ein Geschäft in Wien und Schauräume in Bratislava und Prag führt, in der folgenden Show auch gar nicht vor.

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Couture, das heißt bei ihm: dicke Strickkleider und ordentliche Mäntel und zum Schluss wallende Stoffbahnen, die bis zum Boden reichen. Dazu tragen die Models aquamarinblaue Lidschatten und dunkelrote Lippen. Ob das wohl den Geschmack der jungen Zuschauerinnen trifft? Die Gesichter unter den Schlapphüten der Fashionistas im Publikum haben sich längst verfinstert, sie starren Löcher in die Luft.

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Wien ist eben nicht Paris, und nein, auf eine Saison wird sich hier aus praktischen Gründen auch nicht festgelegt. Hier gibt's Herbstware genauso wie den kommenden Sommer zu sehen. Auch in der trotz 20-Uhr-Termins nicht voll besetzten Show, die sich die Labels Artista und Pitour teilen. Zwar gibt's unter den Sommerentwürfen des ungarischen Labels Artista einige Wickelröcke und originell bedruckte Flatterkleider zu entdecken, ...

Foto: Thomas Lerch
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... und danach führt Maria Oberfrank, Mitorganisatorin der MQ Vienna Fashion Week, für ihr eigenes Label Pitour eine Menge paspelierte Kleider in geometrischen Mustern vor.

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Doch die Wiener Modemeute ist heute woanders. Im Semperdepot werden wenige Minuten später die Österreichischen Modepreise vergeben. Ins Gehege kommt man einander an diesem Abend aber sowieso nicht. (Anne Feldkamp, 9.9.2015)

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