Wien – Gesundheitsministerin und Krankenkassen gaben sich am Dienstag betont gelassen ob der Drohung der Ärztekammer, den Gesamtvertrag für niedergelassene Ärzte zu kündigen. Ministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) sprach sich gegen "Drohgebärden" der Kammer aus. Die Verhandlungen, die bis Ende 2015 abgeschlossen sein sollen, hätten noch nicht einmal begonnen.

Die angedachte Möglichkeit, Einzelverträge mit Primärversorgungszentren abzuschließen, verteidigte sie grundsätzlich. Oberhauser betonte aber auch: "Alles ist verhandelbar." Beiden Seiten müsse klar sein, nicht 100 Prozent der Vorstellungen durchbringen zu können. In welcher Form die heikle Tariffrage geregelt wird, ließ sie vorerst offen. Oberhauser machte aber auch klar, dass die Hausärzte aus ihrer Sicht durch die neuen Versorgungszentren nicht gefährdet seien. Diesbezügliche Kritik kam zuletzt vor allem von ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger.

Verwundert über das Vorgehen der Ärztekammer zeigte sich auch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Für die Patienten bestehe vorerst aber kein Anlass zur Sorge, betonte ein Sprecher. Sollten die Ärzte nämlich tatsächlich über ihre Landeskammern alle Gesamtverträge mit den Gebietskrankenkassen kündigen, käme es frühestens in einem Jahr zu einem vertragslosen Zustand. Gekündigt werden könnten Verträge erst mit Jahresende. Dann beginne ein mehrmonatiger Fristenlauf inklusive Einschaltung einer Bundesschiedskommission. Patienten müssten also frühestens im September 2016 ihre Arztrechnungen selbst bezahlen.

Nicht nur Ärzte betroffen

Die Krankenkassen sehen die Primärversorgungszentren als neue ambulante Versorgungsebene, bei der nicht nur Ärzte involviert sind, sondern auch andere Berufsgruppen (siehe Frage & Antwort). Daher könne die Ärztekammer hier nicht einen Alleinvertretungsanspruch stellen, wird argumentiert.

Die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) wirft der Ärztekammer vor, es gehe ihr rein um machtpolitische Fragen. Die Drohungen der Ärztekammer seien "der Versuch, die Politik einzuschüchtern, indem man die Patienten in Geiselhaft nimmt". Es falle auf, dass die Ablehnung der Kammer von Mal zu Mal immer rascher komme. "Sie wollen ganz früh eingebunden werden, damit sie ganz früh Nein sagen können."

Politische Unterstützung erhielt die Kammer nur von der FPÖ und dem Team Stronach, die die Schaffung der Primärversorgungszentren ablehnen. (go, APA)

B I L D U N T E R S C H R I F T: Gesundheitsminister Sabine Oberhauser gibt sich gelassen.

Foto: APA/Hochmuth

(9.9.2015)