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Schultüten für Erstklässler an einer Wiener Schule.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

"Herzlich willkommen" steht in vielen Sprachen auf mehr als 300 Schultüten, die zum Schulbeginn an Wiener Schulen an Flüchtlingskinder übergeben werden. Wie viele Kinder es österreichweit werden, werde sich bis Oktober zeigen. "Wenn wir mehr Personal brauchen, wird dieses zur Verfügung gestellt", erklärte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) am Montag beim Besuch an einer Volksschule.

In der Regel melden die Bundesländer ihren Bedarf an Lehrer-Planstellen bis zum 1. Oktober. "Wir sind mit dem Finanzministerium in Kontakt, ob dieser Bedarf heuer nicht erstreckt werden müsste, weil ja die Flüchtlingsströme nicht abreißen", so die Ministerin. Die Ereignisse der vergangenen Tage, wo bei weitem die meisten Flüchtlinge durch Österreich lediglich durchgereist sind, seien eine "spezielle Situation" gewesen. "Es kommen ja täglich Menschen aus verschiedenen Ländern auch zu uns – da müssen wir gerüstet sein".

Es sei "eine Verpflichtung aller, dass wir die Versorgung der Kinder und Jugendlichen auch sicherstellen". Wenn sich dieser Mehrbedarf nicht mit fertig ausgebildeten Sprachlehrern decken lässt, werde man "auch auf andere Professionen zurückgreifen", erklärte Heinisch-Hosek.

"Kultur der Missverstände abbauen"

Die Schule spiele insgesamt eine große Rolle dabei, die "Kultur der Missverständnisse" zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen abzubauen, so die Ministerin. Es habe sich immer wieder gezeigt, dass man mit solchen Flüchtlingsströmen, etwa in Zeiten der Balkankriege oder aus Tschetschenien, umgehen könne.

Wenn – wie heuer – mehr Flüchtlingskinder in den Klassen sitzen, falle das den Kindern gar nicht auf. "Für sie ist das nichts Außergewöhnliches und auch für uns ist das nichts Neues", erklärte die Direktorin der Volksschule Liebhartsgasse in Wien-Ottakring, Sabine Klasek.

An ihrer "multikulturellen" Schule wurden bereits im Mai und Juni sechs Flüchtlingskinder aufgenommen, am heutigen ersten Schultag kamen neun weitere dazu. Die meisten Kinder stammen aus Syrien. Man habe einige Pädagogen am Standort, die speziell in Richtung Sprachförderung ausgebildet wurden, außerdem gebe es ein breites Angebot an Kursen, die etwa von der Stadt Wien angeboten werden.

"Die Lehrer leisten hier fantastische Arbeit, weil sie immer wieder im Laufe des Schuljahres auch neue Kinder dazubekommen", so die Direktorin. Eine "extreme Herausforderung" bei Kindern aus dem arabischen Raum sei auch, dass diese auch ein anderes Alphabet erlernt haben.

Schultüte als Willkommensgruß

Der Wiener Landesverband der Elternvereine an den öffentlichen Pflichtschulen verteilt im Rahmen der Aktion "Schultüte – Herzlich willkommen!" in den kommenden Tagen selbst gebastelte Willkommensgeschenke an neu an den Schulen ankommende Flüchtlingskinder. Im Zuge dessen wolle man sich mit Informationsschreiben auch den Eltern der Kindern als Ansprechpartner vorstellen und den anderen Eltern zeigen, "dass hier nicht 5.000 Kinder plötzlich in einer Schule zusammentreffen", erklärte der Verbands-Vorsitzende, Karl Dwulit. Die Erfahrung zeige, dass gerade aufgrund der vielen Sprachen, die von den Kindern gesprochen werden, sich relativ schnell alle auf Deutsch unterhalten.

Grüne wollen zusätzliche Mittel

Die Grünen fordern zur Eingliederung von Flüchtlingskindern an Schulen unterdessen kurzfristig Zusatzmittel in der Höhe von 14 bis 15 Mio. Euro. Diese brauche man für Sprachförderung und sozialpsychologische Betreuung, so Bildungssprecher Harald Walser bei einer Pressekonferenz. Kurzfristig seien "Willkommensklassen" vorstellbar, nach zwei bis drei Monaten müssten die Kinder aber in die Regelklasse wechseln.

Die von der Regierung erwartete Zahl von 5.000 Flüchtlingskindern im schulpflichtigen Alter hält Walser für "sehr niedrig gegriffen". Wenn man die vergleichbaren Zahlen aus Deutschland hernehme, würden es zwei- bis dreimal mehr werden. Nötig sei daher auch eine flexiblere Schulbürokratie: Derzeit würden die Mittel anhand der Schülerzahlen am Stichtag 15. September verteilt: "Damit wird man aber die Probleme und Herausforderungen, die im Dezember, Jänner und März auftauchen, nicht lösen können."

Die zusätzlichen 14 bis 15 Mio. Euro sollen für Sonderverträge für Personen mit einer Ausbildung in Deutsch als Zweitsprache aufgewendet werden. Allein in Wien gebe es hier rund 200 fertige Absolventen, zum Teil auf Masterniveau, so Walser. Die Sprachförderung müsse grundsätzlich in den Regelklassen stattfinden: Als "Übergangslösung" könne er sich aber in großen Städten kurzfristig "Willkommensklassen" zur Kontaktaufnahme und Einstimmung auf das österreichische Bildungssystem vorstellen – nach spätestens drei Monaten sollten die Kinder aber in die Regelklassen.

Integrierte Förderung

Dafür plädierte auch Inci Dirim, die an der Universität Wien einen der österreichweit zwei Lehrstühle für Deutsch als Zweitsprache innehat. Ein "Sonderunterricht" in eigenen Deutsch-Klassen sei über längere Zeit nicht sinnvoll. "Die Forschung hat gezeigt, dass eine integrierte Form der Förderung besser ist als eine isolierte." Lediglich am Anfang der Schulkarriere sei für "Quereinsteiger" wie etwa Flüchtlinge eine getrennte vorübergehende Einführung ins Bildungssystem sinnvoll, so Dirim.

Grundsätzlich unterscheide man in der Forschung additive Modelle der Sprachförderung und integrative: Bei den additiven Modellen gebe es für die Kinder zusätzlich zum Regelunterricht etwa am Nachmittag Deutschkurse an der Schule, wobei man aber stets den Bezug zu den Fächern herstellen müsse. In integrativen Modellen würden die Lehrer den Unterricht nicht nur auf den Fachgegenstand bezogen vorbereiten, sondern auch im Hinblick auf Sprachförderung: "Jede Lehrkraft ist auch eine Sprachlehrkraft." Laut aktuellem Forschungsstand würden additive und integrative Angebote gemeinsam zu besseren Ergebnissen führen als lediglich additive.

Vorbild Hamburg

Generell gelte: "Sprache muss in Zusammenhang mit dem Fach angeeignet werden", betonte Dirim. Die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache müsse daher in den einzelnen Fächern stattfinden. Wichtig sei auch die konsequente Begleitung und Förderung über fünf bis acht Jahre.

Als Modell für Wien könne Hamburg dienen: Dort gebe es an den Schulen als "Sprachlernkoordinatoren" eingesetzte Lehrer, die für 15 Stunden in der Woche freigestellt seien und ständige Fortbildungen absolvieren. Sie erstellen schuleigene Konzepte zur Sprachförderung und verantworten diese auch. Zur Überprüfung der Kenntnisse gebe es am Anfang und Ende des Schuljahrs Sprachstandserhebungen.

Lugar für eigene Klassen

Das Team Stronach sieht die Sache anders und fordert Fremdsprachenklassen für Flüchtlingskinder. "Anstatt mit dem Status der sogenannten 'Außerordentlichkeit' dieser Kinder zu jonglieren, sollte man sich zunächst auf ihre Sprachförderung konzentrieren – und das geht am besten in eigenen Fremdsprachenklassen", so Bildungssprecher Robert Lugar in einer Aussendung. (APA/red, 7.9.2015)