Flüchtlinge steigen in einen Bus in Nickelsdorf.

Wien – Nach einem angesichts der Flüchtlingskrise außergewöhnlichen Wochenende hat Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Sonntagnachmittag das schrittweise Ende der Notmaßnahmen angekündigt. Es wird wieder stichprobenartige Kontrollen an den österreichischen Grenzen zu Ungarn geben, wenn der große Ansturm vorbei ist. Ein konkreter Zeitpunkt wurde nicht genannt.

"Wir müssen jetzt Schritt für Schritt weg von Notmaßnahmen hin zu einer rechtskonformen und menschenwürdigen Normalität", meinte der Kanzler in einer Aussendung. Faymann und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten in der Nacht auf Samstag beschlossen, aus Ungarn kommenden Flüchtlingen ungehindert die Weiterreise nach Österreich und Deutschland zu erlauben.

"Notsituation"

"Wir haben immer gesagt, das ist eine Notsituation, in der wir rasch und menschlich handeln müssen", erklärte Faymann "nach laufenden intensiven Gesprächen" mit Merkel und einem Telefonat mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Ein persönliches Treffen zwischen Faymann und Orbán werde derzeit von beiden Seiten "in Erwägung gezogen", hieß es.

Faymann bleibt außerdem, trotz der Aussage von EU-Ratspräsident Donald Tusk, dass es derzeit keine Pläne für einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingskrise gibt, bei seiner Forderung nach einem außerordentlichen Treffen noch im September. Ein Sprecher von Tusk hatte zuvor gemeint, das Thema Migration werde erst beim nächsten regulären Gipfel am 15. und 16. Oktober auf der Tagesordnung stehen.

15.000 Flüchtlinge

An diesem Wochenende haben nach einer vorläufigen Bilanz des Innenministeriums rund 15.000 Flüchtlinge die ungarisch-österreichische Grenze passiert. 12.000 von ihnen seien bereits weitergereist, sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck am Sonntagnachmittag. Lediglich 90 Personen davon haben nach Angaben der "Zeit im Bild" einen Asylantrag gestellt. Das Ministerium bestätigte diese Zahl.

Die ÖBB kehrten nach dem Nachlassen des Flüchtlingszustroms aus Ungarn unterdessen auf der Westbahnstrecke zum Regelbetrieb zurück. Die Lage habe sich stabilisiert, Sonderzüge würden vorläufig nicht mehr benötigt, sagte Unternehmenssprecherin Sonja Horner. Flüchtlinge dürfen ohne Ticket in ÖBB-Züge einsteigen. Das betonte Horner am Sonntag, nachdem es diesbezüglich offenbar mehrfach zu Unsicherheiten gekommen war.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) regte unterdessen an, in Zusammenarbeit mit dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) in Aufnahmezentren in Nachbarländern von Krisenstaaten die Möglichkeit zu bieten, außerhalb der EU Asyl in EU-Staaten beantragen zu können. Mit der derzeitigen Praxis betreibe die EU so etwas wie ein "Schlepper-Förderungsprogramm".

Die ÖVP-Spitze forderte indes einmal mehr eine gesamteuropäische Lösung für die Flüchtlingskrise. "Es ist höchste Zeit, dass die EU, wir gemeinsam, eine Lösung an den Außengrenzen haben, dass wir zuteilen auch in Richtung Solidarität der anderen, dass wir gemeinsam dieses Problem bewältigen", forderte ÖVP-Bundesparteiobmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in seiner Rede anlässlich des 15. Wiener Erntedankfestes. Die "Ausnahmesituation" müsse nun mit der EU in geordnete Bahnen gelenkt werden. (APA. 6.9.2015)