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Ein Blick auf Damvand im Nordosten des Irans. Viele Teheraner fliehen an Wochenenden aus der Stadt aufs Land.

Foto: apa / TAHERKENAREH

Wien/Teheran – Etwas über zwei Jahre nach der Wahl des als gemäßigt geltenden iranischen Präsidenten Hassan Rohani fordert die junge Bevölkerung vom als "Scheich der Hoffnung" angetretenen 66-jährigen Kleriker endlich die Einhaltung seiner Wahlversprechen, wie die Lockerung der Zensur. Der schiitische Gottesstaat hat wegen der Wirtschaftssanktionen im Atomstreit die schwierigsten Jahre seit 1979 hinter sich.

Nach dem historischen Abkommen vom 14. Juli zwischen dem Westen und dem Iran erwarten sich die Perser eine rasche Verbesserung des Alltags und Taten statt Worte. Die Freude über den Deal ist deswegen getrübt, weil die hohen Preise und die Missstände hinsichtlich der Menschenrechte und der Alltagssituation nach wie vor intakt sind.

Hardliner halten auf

"Er hat zwar den Atomstreit gelöst und sich durch die Welt gelächelt, die inneren Missstände sind aber nach wie vor omnipräsent. Kleine Brocken im Bereich der Menschenrechte, wie die Freilassung einiger Politiker, machen das Kraut nicht fett", erklärt etwa die 19 jährige Jusstudentin Reyhane R. aus Teheran. "Was wir jetzt sofort benötigen, ist eine baldige Reduktion der Arbeitslosigkeit und der Inflation, sowie die Eindämmung der zum Teil barbarischen Zensurmaßnahmen", pflichtet ihr Ariou W. (24) bei.

Er ist wie viele seiner Altersgenossen seit Monaten arbeitslos und befürchtet, dass Rohani sich als ein "zweiter (Mohammad) Khatami" (moderater Reformpräsident des Iran von 1997-2005, Anm.) entpuppen könnte. Khatami hatte der Bevölkerung auch Freiheiten und mehr Rechte versprochen, wurde letztlich aber durch die mächtigen Hardliner daran gehindert, seine Vorhaben umzusetzen.

"Mannigfaltige Trümmer"

Rohani hat bei seinen jüngsten Pressekonferenzen seinen Kritikern entgegnet, dass er Geduld und Zeit einfordere, denn es dauere eben, "die mannigfaltigen Trümmer seines Vorgängers Mahmoud Ahmadinejad zu beseitigen". Es sei leicht, etwas zu zerstören, aber es wieder aufzubauen, sei mühsam und zeitintensiv. So fordert er auch bei der Umsetzung der versprochenen Bürgerrechtscharta und Geduld hinsichtlich der Freilassung der beiden seit 2013 unter Hausarrest stehenden Oppositionspolitiker Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi.

Keyvan, ein Freund Arious, zeigt zwar Verständnis für Rohani, drängt ihn zu mehr Druck auf die Zensurbehörde. "Der Präsident hat leider wenig Macht, doch jetzt ist die Zeit reif. Die Welt schaut den Iran nicht mehr von oben herab an, und Rohani hat gute Verbindungen zu allen Obrigkeiten im Land. Es ist mir klar, dass er nicht zaubern kann und die Hardliner ihm im Genick sitzen, aber er hat es versprochen", empört er sich.

Jugend will freies Internet

Zwei Drittel der iranischen Bevölkerung (rund 79 Millionen Einwohner) sind unter 28 Jahre alt. Sie fordern neben der Aufhebung der Sanktionen und den damit in Kraft tretenden Erleichterungen im Alltag vor allem eine Lockerung der Internetzensur, etwa eine Freigabe der offiziell verbotenen sozialen Netzwerke Facebook, YouTube und Twitter.

"Es ist grotesk: der Oberste Geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei und Rohani selbst haben Twitter- und Facebook-Accounts und für uns soll es verboten sein? Das ist fast so eine Realitätsverweigerung wie seinerzeit jene Aussage von Ahmadinejad, der meinte, es gebe keine Schwulen im Iran. Daher sollte Rohani agieren und etwas für die Jugend tun. Denn wir haben sowieso Mittel und Wege gefunden, um uns zu arrangieren", fordert Reyhane und spielt auf die im Iran wichtigen VPN-Systeme an.

Rohani hat ihnen letzte Woche versprochen, die Wirtschafts- und Menschenrechtssituation in den kommenden Monaten weiter zu verbessern. Es bleibt abzuwarten, ob er dieses große Versprechen halten kann. Die Hardliner jedenfalls werden alle Hebel in Bewegung setzen, um die "Verwestlichung des Iran" zu verhindern. (APA, 4.9.2015)