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Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: Müde ist der 80-Jährige allemal, alle Fäden aus der Hand geben, das will er jedoch nicht.

Foto: EPA/Safadi

Ramallah – Als in der letzten Augustwoche erstmals berichtet wurde, dass Mahmud Abbas den Vorsitz der PLO (Palestine Liberation Organisation) beziehungsweise deren Exekutivkomitees abgibt, sahen viele den Moment gekommen, den der 80-jährige Palästinenserpräsident schon oft angekündigt hatte: Er macht Ernst, zieht sich zurück. Ein paar Tage später fielen die Analysen schon wieder anders aus: Geht es vielleicht doch darum, dass Abbas seine Macht konsolidieren oder zumindest seiner Fraktion innerhalb der PLO und der Fatah-Partei – die sich Ende November in einer Klausur ebenfalls neu aufstellen soll – sichern will?

Zur Präsidentschaft der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die Abbas 2004 wie den PLO- und den Fatah-Vorsitz von Yassir Arafat erbte, schweigt er sich nämlich aus – dass er zu den längst überfälligen Wahlen nicht mehr antreten würde, hatte er schon zuvor mehrfach bekannt gegeben.

Die Spekulationen gehen nun auch in die Richtung, dass sich Abbas einen Vizepräsidenten geben könnte: Genannt wird Saeb Erekat, bekannt vor allem als Verhandler mit Israel, aber auch Geheimdienstchef Majid Farraj.

Erekat war vor kurzem als Generalsekretär des PLO-Exekutivkomitees dem geschassten Yasser Abed Rabbo nachgefolgt. Abed Rabbo, Chef der Palestinian Peace Coalition, wurde der Verschwörung bezichtigt, zum Zwecke, den Erzrivalen Abbas', den früheren Sicherheitschef des Gazastreifens (als dieser noch unter PA-Kontrolle war), Mohammed Dahlan, als Abbas-Nachfolger zu installieren.

Auch gegen den angesehenen unabhängigen Technokraten Salam Fayyad, der als Premier viel dazu getan hat, um "Palästina" in internationalen Augen staatsfit zu machen, und seine NGO "Future for Palestine" wird vorgegangen. Aus dem ganzen Paket schließen Abbas-Kritiker, dass dieser sein Haus bestellen will, mit recht autoritären Mitteln.

Abbas steht, will er die Dinge noch beeinflussen, unter Zugzwang: Seine Umfragewerte zeigen einen Absturz auf 16 Prozent Zustimmung. Die Palästinenserführung, in Personalunion an der Spitze von PA, PLO und Fatah kann nicht liefern: Ist am Scheitern des Friedensprozesses sicher Israel mitverantwortlich, so bleibt noch genug anderes: das ewige Theater um die Aussöhnung mit der Hamas, die Korruption, mangelnde Dienstleistungen – und nicht zuletzt die eskalierenden internen Rivalitäten.

Sondersitzung im September

Nun soll also Mitte September der Palästinensische Nationalrat (PNC) zusammentreten, um ein neues 18-köpfiges PLO-Exekutivkomitee zu wählen. Erzwungen wurde das, indem neben Abbas noch neun andere den Hut nahmen: Wenn mehr als ein Drittel der Sitze vakant sind, dann müssen sie vom innerhalb von 30 Tagen außertourlich einberufenen PNC gefüllt werden.

Die letzte Sondersitzung des PNC war 2009, die letzte reguläre 1996: Die prozeduralen Unsicherheiten sind dementsprechend groß. So steht die Frage im Raum, ob nur die Vakanzen gefüllt oder gleich das gesamte Exekutivkomitee neu gewählt werden muss. Denn nicht alle Mitglieder haben mitgespielt und machen den Weg frei: auch Abed Rabbo nicht, der darauf pocht, dass er weiter im Komitee sitzt, auch wenn er nicht mehr dessen Generalsekretär ist.

Es geht nur um Verjüngung

Während die Abbas-Anhänger sagen, dass es dem Präsidenten nur um eine Verjüngung des Exekutivkomitees geht – weshalb er selbst nicht mehr gewählt werden wolle -, meinen seine Gegner, Abbas will ein Gremium schaffen, das ihm zu Willen ist. Entgegenkommen würde diesem Wunsch wohl auch der Zustand des PNC. Das ist ein riesiger Apparat von ursprünglich 800 Mitgliedern – heute sind es weniger -, von denen aber viele zur Sondersitzung Mitte September nicht kommen werden: weil sie nicht ins Westjordanland hineinkommen oder weil sie sich seit dem Oslo-Friedensprozess überhaupt von der PLO abgewandt haben.

Eigentlich wäre für die Beschlussfähigkeit des PNC ein Quorum von zwei Drittel der Delegierten nötig. Wenn das aber angesichts der Umstände – die wohl geltend gemacht werden – nicht möglich ist, entscheidet, wer da ist: Und Abbas' Getreue werden es mit Sicherheit sein. (Gudrun Harrer, 4.9.2015)