Sähe den Landeshauptmann am liebsten nur mehr als Repräsentanten: Brigitte Ederer.

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STANDARD: Die Elektro- und Elektronikindustrie (E&E) ist in hohem Maße exportorientiert. Ist die Branche von der Währungsabschwächung Chinas betroffen?

Ederer: Derzeit gibt es von den Mitgliedsfirmen noch keine aktuellen Berichte, dass sich die Probleme des chinesischen Kapitalmarktes negativ auf ihre Geschäftstätigkeit auswirken. Die überwiegende Zahl unserer Mitgliedsfirmen berichtet über eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Zwar über keine enorme Steigerung des Umsatzes, aber über ein "Geradeausfahren" auf hohem Niveau. Einigen Unternehmen wie beispielsweise dem Chipproduzenten Infineon geht es sogar sehr gut. Beim Export konnte die Branche 2014 mit 80,3 Prozent des Umsatzes ein Fünf-Jahres-Hoch verzeichnen.

STANDARD: Aber in Deutschland wird befürchtet, dass die Exporte nach China zurückgehen. Und da hängen wir doch mit dran?

Ederer: Der Währungskurs in China ist eine relativ junge Entwicklung. Bis dato haben wir ganz wenig direkt nach China geliefert; so hat das auch nicht durchgeschlagen. Wenn die deutsche Industrie schwächelt, haben wir ein Problem. Aber, wie gesagt, davon ist derzeit nichts zu spüren, wir hatten bis Juni eine gute Entwicklung. Und dabei haben wir bei den elektrischen Ausrüstungen für Kraftfahrzeuge eine Exportquote von 98 Prozent.

STANDARD: In einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo wurde kürzlich darauf hingewiesen, dass Österreich zu wenig innovative, zukunftsgerichtete Produkte exportiert und zu sehr state of the art.

Ederer: Diese Kritik kann ich nachvollziehen. Für die E&E-Branche würde ich aber meinen, dass das nur bedingt gilt. Denn wir liefern zwar "nur" zu, aber auf einem sehr hohen Niveau. Ein Beispiel: Wir exportieren Bauelemente an die Telefonerzeuger. Man könnte meinen, diese Produkte seien leicht austauschbar, aber dem ist nicht so. Das ist extremes Hightech. Unsere Industrie hat sich in einigen Bereichen – wenn auch nur in Nischenbereichen – Weltmarktführerschaft erarbeitet. Bei Mikrofonen für die Mobiltelefonie beispielsweise. Da ist in jedem dritten Phone ein Siliziumchip aus Österreich drinnen. Im Moment würde ich daher der Analyse von Wifo-Studienautor Gunther Tichy nicht zustimmen. Aber diese erfolgreiche Situation ist eine ständige Herausforderung.

STANDARD: Alle Firmen müssen sich derzeit extrem schnell bewegen.

Ederer: Ja. Es gibt derzeit eine Reihe von revolutionären Umbrüchen, die sehr schnell vor sich gehen und alle Produktionsschritte verändern. So wird die Kombination von mechanischer Produktion und Informations- und Kommunikationstechnologie in Zukunft über die Wettbewerbsfähigkeit eines Industrieunternehmens entscheiden. Wir müssen genau schauen, was zu tun ist, damit wir nicht ins Hintertreffen geraten.

STANDARD: Wo setzt die E&E-Branche bei neuen Technologien an?

Ederer: Es findet durchaus viel Aktivität statt, und es ist auch viel Geld für die Forschung in die Hand genommen. Woran es mangelt, ist oft die rasche Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Marktreife und den Vertrieb. Da besteht die Gefahr, dass österreichische Unternehmen zu langsam sind.

STANDARD: Viel wird über die Ausbildungssituation geklagt.

Ederer: Im Bildungswesen sehe ich den größten Reformbedarf. Wenn fast ein Fünftel jener jungen Menschen, die das Bildungssystem verlassen, nicht sinnerfassend lesen kann und Grundrechnungsarten nicht beherrscht, ist Veränderungsbedarf gegeben. Hätte ein Unternehmen solch eine Ausfallquote bei seinen Produkten, wäre "Feuer am Dach".

STANDARD: Ein anderes ewiges Thema: die Bürokratie.

Ederer: Mit dem EU-Beitritt haben wir eine Ebene der Regulierung dazubekommen. Deshalb liegt es nahe, eine Ebene herauszunehmen. Dafür würden sich die Bundesländer anbieten. Man könnte – mit einer längeren Übergangsfrist – Landtage und deren Regulierungskompetenz streichen. Der Landeshauptmann könnte als Repräsentant der mittelbaren Bundesverwaltung bleiben. (Johanna Ruzicka, 3.9.2015)