Bild nicht mehr verfügbar.

Staatschef Erdogan duldet ungern Widerspruch.

Foto: Reuters / Umit Bektas

Ankara/Athen – Die Fotos waren in der Morgenausgabe, und morgens um acht kam auch gleich schon die Finanzpolizei. Die türkischen Behörden machen nun Druck auf die Medien im Land, mehr noch als in der Vergangenheit und – so behaupten die Kritiker – offensichtlich auf Weisung des Staatspräsidenten und seines Premiers. Bugün ("Heute"), eine kleine konservativ-islamische Tageszeitung, die dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen zugerechnet wird, veröffentlichte am Dienstag Bilder von angeblichen Waffen, die an der türkischen Grenze ganz offen auf Handwagen nach Syrien zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gerollt wurden. "Schockfotos", hieß die Schlagzeile.

Auf den Bildern vom mittlerweile geschlossenen Grenzübergang Akçakale sieht man zwei mögliche Geschützrohre und schwere Metallplatten, die – so hieß es – zur Panzerung von Fahrzeugen des IS verwendet würden.

Auch Dünger-Chemikalien, mit denen Sprengsätze hergestellt werden, sollen über diesen Grenzübergang geschleppt worden sein. Die türkische Regierung stritt immer ab, dass sie den Islamisten in Syrien Waffenhilfe leiste.

Der Ipek-Konzern in Ankara, dem unter anderem Bugün, der gleichnamige Nachrichtensender sowie Kanaltürk gehören, erhielt dafür Besuch von der Steuerfahndung. Die Polizei beschlagnahmte Computer und Dokumente. Gegen Konzernführer Akin Ipek wurde später Haftbefehl erlassen. Er gilt als Gefolgsmann des Predigers Gülen. Der lebt seit Ende der 1990er-Jahre im selbstgewählten Exil in den USA, zerstritt sich mit dem heutigen Staatschef Tayyip Erdogan und hat von den Behörden mittlerweile ein eigenes Kürzel erhalten: FETÖ – Terrororganisation der Fethullah-Anhänger.

Leere Spalten

Doch nicht nur die Gülen-Medien, die weiter die Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung Erdogan vom Dezember 2013 wachhalten, haben Schwierigkeiten. Bei der ehemals liberalen Tageszeitung Milliyet wurden Ende August fünf regierungskritische Journalisten entlassen. Sözcü, ein vielgelesenes kemalistisches Oppositionsblatt, erschien am Dienstag mit leeren Spalten auf der Titelseite und der Schlagzeile: "Wenn Sözcü verstummt, dann verstummt die Türkei." Rund 60 Prozesse wurden allein im vergangenen Jahr gegen Sözcü-Journalisten eröffnet, beklagte die Zeitung.

Kritik kam am Dienstag auch von der EU-Kommission wegen der Verhaftung zweier britischer Journalisten in Diyarbakir im Südosten des Landes. Ihnen wird vorgeworfen, für den IS gearbeitet zu haben. Bei neuerlichen Schießereien und Anschlägen in der Region starben seit Montag drei Menschen. (Markus Bernath, 2.9.2015)