Alpbach – Die soziale Durchmischung nahm in Städten Europas seit Beginn des 21. Jahrhunderts fast durchwegs ab, wie eine Analyse von Daten aus 13 Städten zeigt. Vor allem Wien präsentierte sich deutlich ungleicher, als die Forscher erwartet hatten, wie der Soziologe Maarten Van Ham von der Universität Delft (Niederlande) bei den Alpbacher Technologiegesprächen erklärte.

Für ihre Studie zu sozioökonomischen Unterschieden innerhalb von Städten – die Forscher sprechen von "Segregation" – haben Van Ham und sein Team beispielsweise Daten zur Einkommensverteilung, zum Wohnbau oder zum Wohlfahrtssystem in Amsterdam, Budapest, Wien, Stockholm, Oslo, London, Vilnius, Tallinn, Prag, Madrid, Mailand, Athen und Riga analysiert. Bis auf Amsterdam ergab sich für alle untersuchten Metropolen ein Anstieg der Ungleichheit. Aufgrund ihrer theoretischen Annahmen waren die Forscher in ihrem vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten Projekt davon ausgegangen, dass die Segregation in London, Riga, Madrid und Vilnius am stärksten und in Prag und Wien am wenigsten ausgeprägt sein müsste. Nach der Datenanalyse zeigte sich aber eine andere Verteilung: Hinter Madrid, Mailand, Tallinn, London und Stockholm landete Wien auf dem sechsten Platz und nicht im Schlussfeld mit den Städten mit der stärksten sozialen Durchmischung. Diese gibt es demnach in Prag und Oslo.

Komplexes Beispiel Wien

Die Gründe für die Abnahme der Durchmischung in Wien zwischen 2001 und 2011 seien nicht einfach festzumachen. Die österreichische Hauptstadt sei "ein besonders komplexes Beispiel", sagte der Wissenschafter. Es hänge etwa mit dem starken Zuzug zusammen, im Zuge dessen sich einerseits die Anzahl an Fachkräften, aber auch die Zahl der weniger qualifizierten Personen in Wien erhöht habe. Außerdem habe man eine Abnahme der Investitionen im Wohnbau registriert, wie Van Ham anführte.

Insgesamt seien die Unterschiede in europäischen Städten noch geringer als in anderen Teilen der Welt. Man sollte aber darauf aufpassen, dass die soziale Durchmischung nicht verlorengehe, denn wenn "arme" und "reiche" Bevölkerungsteile zunehmend voneinander getrennt in einer Stadt leben, gefährde das den sozialen Zusammenhalt.

Die Alpbacher Technologiegespräche vom 27. bis 29. 8. wurden im Rahmen des Europäischen Forums vom Austrian Institute of Technology (AIT) und vom Sender Ö1 organisiert und von den Ministerien für Verkehr, Bildung und Wissenschaft finanziert. Im kommenden Jahr lautet das Generalthema "Aufklärung 2.0 – Vision und Realität". (APA, red, 6.9.2015)