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Tausende Flüchtlinge wollen von Ungarn aus weiter in den Westen reisen. Nach einer vorübergehenden Sperre ist der Bahnhof nun wieder offen.

Foto: REUTERS/Laszlo Balogh

Wien – Nachdem die Budapester Polizei den Ostbahnhof (Keleti) am Dienstagvormittag vorübergehend geschlossen hatte, wurde dieser nur eine Stunde später wieder geöffnet und der Zugverkehr wieder aufgenommen. Der Bahnhof sei jedoch geräumt worden, Flüchtlinge würden von der Polizei daran gehindert, das Gebäude wieder zu betreten, berichtet die ungarische Nachrichtenagentur MTI.

Allerdings würden vorerst nur Inlandszüge verkehren, teilte die ungarische Bahngesellschaft MAV mit. MTI berichtete, ein Zug in Richtung Wien stünde auf einem Gleis bereit, vorerst würden sich aber nur Touristen in der Bahnhofshalle aufhalten.

Chaotische Zustände vor Bahnhofsgebäude

Auf den Bahnsteigen sowie am Gelände vor dem Bahnhof herrschten auch am Dienstag chaotische Zustände. Am Montag hatte die ungarische Polizei überraschend auf die Kontrollen verzichtet und damit tausenden Flüchtlingen ermöglicht, in Zügen Richtung Österreich und Deutschland zu gelangen. Der Zustrom weiterer Flüchtlinge zum Ostbahnhof der ungarischen Hauptstadt riss auch am Dienstag nicht ab, wie Kati Bukucs, eine der freiwilligen Helferinnen, erklärte.

Migranten in Budapest planen Hungerstreik

Selbst Flüchtlinge mit gültigen Fahrscheinen durften nicht reisen. Aus Protest gegen ihre Verbannung aus dem Ostbahnhof wollen tausende Flüchtlinge nun in den Hungerstreik treten. Mehr als 1.500 von ihnen halten sich aktuell in der sogenannten "Transitzone" außerhalb des Bahnhofsgebäudes auf, sagte die Flüchtlingshelferin Andrea Horvath von Migration Aid am Dienstag.

Österreichischer Botschafter in Ungarn einbestellt

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat am Dienstag mit scharfen Worten auf die Flüchtlingspolitik Ungarns reagiert. Man werde eine "politisch klare Sprache" gegen Ungarn finden, sagte er. Nur weil die Dublin-Verordnung (sie regelt, dass jenes EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist, in dem Flüchtlinge zuerst EU-Boden betreten) schlecht funktioniere, könne sie Ungarn nicht komplett aussetzen. "Gesetze sind einzuhalten", so Faymann. Ungarn reagierte auf die Kritik, indem es den österreichischen Botschafter in Budapest, Ralph Scheide, ins Außenministerium zitierte. Faymanns Aussagen könnten zu "gefährlichen Spannungen" führen, meinte Außenminister Peter Szijjarto.

Die Regierungsspitze mahnt Dienstagnachmittag in der Flüchtlingsfrage Solidarität ein. Neben einer nationalen Tagesklausur kündigte Faymann nach dem Ministerrat bilaterale Gespräche mit Nachbarländern an. In einer Nationalrats-Sondersitzung zum geplanten Durchgriffsrecht des Bundes zur Flüchtlingsunterbringung traten die Koalitionschefs außerdem vehement gegen Hetze auf.

Faymann wiederholte Kritik

Im Pressefoyer nach der Regierungssitzung übte Faymann einmal mehr Kritik an Österreichs Nachbarn. In bilateralen Gesprächen will die Regierung nun Überzeugungsarbeit in der Slowakei und Tschechien leisten, um diese beiden Staaten dazu zu bewegen, einer fairen Aufteilung der Asylwerber innerhalb Europas zuzustimmen.

Koordinator Konrad erstmals bei Sitzung der "Task Force"

Der von der Regierung bestellte Flüchtlingskoordinator, Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad, hat am Dienstag erstmals an der "Task Force" der Regierung zur Flüchtlingsproblematik teilgenommen. Bei dieser mittlerweile zweiten Sitzung der Gruppe anwesend waren neben Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner die weiteren "Task Force"-Mitglieder Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Integrations- und Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) sowie Verteidigungsminister Gerald Klug und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (beide SPÖ). Die von der Regierung vor zwei Wochen ins Leben gerufene Gruppe soll einmal wöchentlich das Thema Asyl auf Chef-Ebene betreuen.

Mikl-Leitner: Dublin weiterhin in Kraft

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) fordert eine "umfassende Informationsoffensive" von Deutschland in Ungarn. Es müsse klargestellt werden, dass Dublin weiter in Kraft sei, sagte sie vor dem Ministerrat am Dienstag. Derzeit bestehe bei viele Flüchtlingen irrtümlicherweise die Hoffnung, Deutschland nehme alle auf. Obwohl gestern tausende Flüchtlinge auch an österreichischen Bahnhöfen problemlos passieren konnten, halte man "selbstverständlich" an Dublin fest.

Es gebe "keinen Paradigmenwechsel". Es werde also weiterhin stichprobenartig Kontrolle geben. Klar sei aber auch, dass man innerhalb der EU keine flächendeckenden Kontrollen durchführen könne. Grundsätzlich seien auch in Zukunft Rückschiebungen nach Ungarn möglich, es gelte aber: "Wir bekämpfen Schlepper, nicht Flüchtlinge."

Krisentreffen der EU-Spitze

Auch auf EU-Ebene gibt es eine Krisensitzung: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat ein Treffen mit den EU-Spitzen angekündigt, um über das Thema Flüchtlinge zu beraten. Er werde am Donnerstag mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz beraten, heißt es auf der Regierungs-Webseite.

Zwischenstation auf Weg nach Deutschland

Für viele war auch am Dienstag der Westbahnhof lediglich eine Zwischenstation auf ihrem Weg nach Deutschland. Die Migranten wurden von mehrsprachigen eigens von den ÖBB abgestellten Mitarbeitern zu den entsprechenden Zügen gebracht. Nur ein kleiner Teil wollte in Wien bleiben.

Hahslinger: "Lückenlose Kontrolle nicht möglich"

Die Polizei verhielt sich nach Ansicht des Geschäftsführers der Caritas Wien, Alexander Bodmann, am Westbahnhof in Wien "zurückhaltend". Eine "lückenlose" Kontrolle sei derzeit nicht möglich, hatte Polizeisprecher Roman Hahslinger zuvor erklärt. Hahslinger begründete dies damit, dass es nicht möglich sei, "den Bahnhof abzusperren".

Bis zu 2.000 Flüchtlinge auf Salzburger Bahnhof

1.500 bis 2.000 Flüchtlinge haben die Nacht auf Dienstag – zumindest mehrere Stunden – auch am Salzburger Hauptbahnhof verbracht. Inzwischen seien aber alle nach Deutschland weitergereist, sagte Polizei-Sprecherin Valerie Hillebrand. Bis auf drei, die hier um Asyl angesucht haben, und drei, die medizinische Betreuung benötigten und in ein Spital eingeliefert wurden, so der Sprecher von Landesrätin Berthold. (APA, go, 1.9.2015)