Seit gut fünf Jahren schlägt sich die Eurozone mit ihrer Schuldenkrise herum. Aber wie die jüngste Wifo-Analyse zeigt, ist dieses Drama bloß ein Symptom für einen tiefergreifenden Missstand: Europas Wirtschaft wächst nicht. Wie schon zuvor in Japan ist in der EU jene "säkulare Stagnation", vor der US-Ökonomen wie Lawrence Summers ihr eigenes Land warnen, schon längst eingetreten.

Nicht Griechenland repräsentiert daher das Kernproblem Europas, sondern Italien, das seit Einführung des Euro noch weniger gewachsen ist. Dass es den Griechen heute schlechter geht, liegt vor allem daran, dass sie bis 2009 ein Boomjahrzehnt erlebt haben, in dem Erwartungen und Ansprüche gestiegen sind – und sie der Absturz nun umso mehr schmerzt. In Italien ging es erst gar nicht aufwärts, und seine Bürger haben sich diesem Schicksal gefügt. Auch Österreich rutscht allmählich in ein solches Loch.

Wer Ursachen für die Misere sucht, wird sie vor allem im Scheitern des Lissabon-Prozesses finden, der die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt hätte machen sollen. Doch das sind bei all ihren Schwächen die USA geblieben, die Europa nun davonziehen. Dort blühen Forschung, Innovation und Unternehmertum.

Schuldenkrise und Flüchtlingsstrom müssen gemeistert werden. Aber ob Europa in zehn Jahren eine lebenswerte Region ist, hängt vor allem davon ab, ob es gelingt, all die selbsterschaffenen Wachstumshürden zu überwinden. (Eric Frey, 31.8.2015)