Abschied vom "Jedermann".

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Man kann nicht behaupten, der ORF hätte die diesjährigen Salzburger Festspiele mit Nichtachtung gestraft. Doch wie blass nimmt sich die Übertragung eines Fidelio neben dem Bieranstich aus, den der Jedermann alljährlich bewältigt. Was braucht man einen Jahresjubilar wie den 90-jährigen Pierre Boulez, wenn man doch dem leibhaftigen "Teufel" backstage auf den behaarten Schwanz blicken darf.

Der sonntägliche Abschied der Seitenblicke aus der Domstadt fiel demgemäß zwiespältig aus. Man brachte brav den kuriosen Zahlensalat unter die Leute, den die Salzburger Festspielleiter eigenhändig aus ihren Archiven gepflückt hatten. 263.000 Zuschauer waren nicht nur gekommen, sondern hatten 35 Stunden geklatscht. Umgelegt auf 188 Vorstellungen nimmt sich das gleich weniger imposant aus. Aber man möchte ja auch nicht wissen, wie viele Gläser Sekt durch die durstigen Gurgeln geronnen sind. Ganz zu schweigen von den Unmengen Wassers, die in den Bedürfniszonen des gesegneten Festspielbezirks zurückgelassen wurden.

Das Gefühl der Erleichterung währt freilich nur kurz. Nach den Festspielen ist immer vor den Festspielen. Das Jedermann-Ensemble zerstreut sich in alle Winde. Der Darsteller des Teufels fährt heim nach Berlin und "guckt mal, wie die Wohnung ausschaut." Bei einer derart im Wandel begriffenen Stadt wie Berlin scheint Besorgnis am Platz.

Die Darstellerin der Buhlschaft hat Adieu gesagt und noch einmal Party gemacht. Vorschläge für die Nachfolge sollen laut Cornelius Obonya an die Kasperlpost des ORF gerichtet werden. Da sage noch einer, am Küniglberg gälte der Kulturauftrag nichts. (Ronald Pohl, 1.9.2015)