Geht es nach den Plänen der Wahlkommission, kann Ende des Jahres das ägyptische Parlament seine Arbeit aufnehmen. Nach neuer Verfassung und Wahl eines Präsidenten wäre damit der dritte und letzte Schritt des Demokratisierungsprozesses nach der blutigen Entmachtung der Muslimbrüder vollzogen und eine dreieinhalbjährige Periode ohne Volksvertretung ginge zu Ende. In dieser Zeit wurden Hunderte von Präsidialdekreten in Kraft gesetzt.

Der Präsident der Wahlkommission gab am Sonntagabend die Daten für den komplizierten Wahlvorgang bekannt. Ab Dienstag können sich die Kandidaten und Kandidatinnen für die 568 Mandate registrieren lassen.

Das Land wird in zwei Teile aufgespalten: Am 17. Oktober beginnt der Urnengang für die ersten, vorwiegend südlichen 14 Provinzen; am 21. November starten die anderen 13 Provinzen des Nildeltas und am Sinai. Am 2. Dezember werden Wahl und Stichwahl beendet sein. Das Innenministerium hat den Auftrag erhalten, den ganzen Prozess abzusichern.

Rund 80 Prozent der Sitze wird über das Mehrheitswahlrecht in Wahlkreisen zugeteilt – und nur ein kleiner Teil über geschlossene Parteilisten. Alle wichtigen Parteien haben an diesem System heftige Kritik geübt, da einflussreiche Persönlichkeiten mit Geld und Beziehungen als unabhängige Kandidaten bevorzugt werden – etwa reiche Geschäftsleute, ehemalige Kader der aufgelösten Mubarak-Partei und auch Muslimbrüder.

Es besteht die Gefahr, dass das Parlament eine Kopie der Volksvertretung in der Mubarak-Ära wird. Parteien haben nur geringes Gewicht. Sisi hat sich diese Bedenken zwar mehrmals angehört, das Gesetz aber nicht geändert.

Geringen Spielraum nützen

Führende Parteipolitiker hatten die Idee eines Boykotts aufgegriffen, inzwischen hat sich aber die Überzeugung durchgesetzt, dass die Parteien diesen – wenn auch geringen – Spielraum nützen müssen, um sich eine Plattform für ihre politische Arbeit zu schaffen.

Die nach der Revolution gegründeten säkular-politischen Gruppierungen bekunden große Mühe, sich in der Bevölkerung breiter abzustützen und zu verankern.

In den vergangenen Tagen hat eine Kampagne unter dem Motto "Nein zu religiösen Parteien" an Schwung zugelegt. Sie erinnert an die Kampagne, mit der im Jahr 2013 die Muslimbrüder von der Macht verdrängt worden waren. Einige ihrer Wortführer stammen aus der Bewegung "Tamarod" (Rebellion), die die Unterschriftensammlung gegen Präsident Mohammed Morsi lanciert hatte.

Auch jetzt werden via Internet Unterschriften gesammelt; über 100.000 sind in kurzer Zeit zusammengekommen. Wichtige religiöse Institutionen wie die Al-Azhar-Universität und das Ministerium für Religiöse Angelegenheiten haben ihre Sympathie bekundet. Im Fokus steht vor allem die salafistische Al-Nour-Partei, die Sisis Machtübernahme unterstützt hatte. Sie könnte bei den Wahlen ein Sammelbecken für alle Anhänger des politischen Islam werden. Al-Nour verteidigt sich gegen die Verbotsbestrebungen mit dem Hinweis, sie sei keine religiöse Partei, die laut Verfassung verboten wäre, sondern habe nur einen religiösen Hintergrund. (Astrid Frefel aus Kairo, 1.9.2015)