Dass es keine Lösung für das europäische Flüchtlingsproblem gibt, ist inzwischen jedem klar. Aber die EU-Kommission, nationale Politiker und viele Kommentatoren sehen in verpflichtenden Flüchtlingsquoten für alle 28 EU-Staaten den besten Weg, die derzeitige katastrophale Lage zu entschärfen. Doch dieser Plan, den auch die österreichische Bundesregierung lautstark vertritt, ist aus mehreren Gründen viel problematischer als er scheint.

Wenn es Flüchtlingsquoten gäbe, müssten vor allem die mittel- und osteuropäischen Staaten Tausende Asylwerber aufnehmen. Doch die Syrer und Iraker, die sich nach Europa vorkämpfen, wollen nicht nach Polen, Slowakei oder Estland. Sie wollen nach Deutschland, Schweden, Großbritannien – und in zweiter Linie auch nach Österreich.

Suche nach Lebenschancen

Das hat gute Gründe. Die Menschen flüchten ja nicht direkt aus dem Krieg, um ihre Haut zu retten, sondern aus den Flüchtlingslagern in der Region, um eine Chance für ein besseres Leben zu bekommen. Sie suchen Jobs und Aufstiegsmöglichkeiten – und die gibt es in den reichen nordeuropäischen Ländern viel eher als in Osteuropa.

Es handelt sich weder um Kriegs- noch um Wirtschaftsflüchtlinge, sondern um Verzweiflungsflüchtlinge.

Mündige Menschen und kein Vieh

Wenn man über Menschenrechte spricht, dann müssen auch die Wünsche der betroffenen, höchst mündigen Menschen berücksichtigt werden. Sie sind kein Vieh, das man nach Belieben über den Kontinent verteilen kann.

Eine erzwungene Übersiedlung in den Osten würde wohl nur temporär wirken. In kurzer Zeit wären die Menschen wieder in Deutschland oder Österreich – egal, was ihre Papiere sagen. Nach Gabcikovo in der Westslowakei würden sie vielleicht freiwillig gehen – der Weg nach Wien von dort ist kurz. Aber einer Anweisung, in die Ostslowakei oder in die baltischen Staaten zu ziehen, würden sich die meisten wohl widersetzen.

Die Länder im Osten sind viel ärmer

Dazu kommt, dass Flüchtlingsquoten, die sich nach der Bevölkerungszahl richten, auch weniger fair wären als es auf den ersten Blick scheint. Die Länder im Osten sind viel ärmer, haben mehr Arbeitslose, und sind weniger gut ausgerüstet, Flüchtlinge aufzunehmen, zu versorgen und zu integrieren.

Der Widerstand ihrer Regierungen gegen solche Pläne ist zwar stark politisch und populistisch motiviert, hat aber auch pragmatische Gründe: Was das reiche Deutschland mit Leichtigkeit könnte, wäre für das arme Rumänien eine große Belastung. Den Ländern finanzielle EU-Unterstützung zu entziehen, weil sie gegen Flüchtlingsquoten wären, wie Österreichs Regierungsspitze das nun vorschlägt, ist schäbig.

Großbritannien macht nicht mit

Unter den Ländern, die Flüchtlinge anziehen, ist eines, das bei eine Quotenregelegung keinesfalls mitmachen würde: Großbritannien. Das ist aus innenpolitischen Gründen so gut wie ausgeschlossen. Sollte sich Premier David Cameron dazu breitschlagen lassen, dann wäre es so gut wie sicher, dass er das Referendum über die EU-Mitgliedschaft 2016 oder 2017 verliert. Das kann auch nicht im Interesse der anderen Staaten sein.

Doch ohne britische Teilnahme werden auch Tschechien, Slowakei oder Polen nicht zustimmen. Der Ruf nach Flüchtlingsquoten mag zwar plausibel klingen und bei uns populär sein, aber EU-politisch ist er undurchsetzbar.

Das müssen auch Werner Faymann, Reinhold Mitterlehner und Johanna Mikl-Leitner wissen. Sie sollten aufhören, den Bürgern vorzugauklen, dass darin eine Lösung für die Flüchtlingskrise im eigenen Land zu finden ist.

"Koalition der Willigen" mit Österreich

Möglich wäre bloß, dass sich eine "Koalition der Willigen" reicher EU-Staaten bildet, die gemeinsam dafür sorgt, dass Flüchtlinge mit und ohne Asyl besser verteilt werden. Dazu muss auch Österreich zählen.

Eine symbolische Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen kann man auch von den ärmeren EU-Staaten als Geste der Solidarität verlangen – mehr aber nicht.

Und jedem muss es klar sein, dass die syrischen Familien aus Homs und Damaskus, die Vermögen hergeben und ihr Leben riskieren, um nach Europa zu kommen, mit diesem Europa Länder wie Österreich meinen und nicht Litauen. (Eric Frey, 28.8.2015)