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Das Wiener Burgtheater.

Foto: REUTERS / Leonhard Foeger

In Wahrheit ist das Wiener Burgtheater über jedes noch so wohlmeinende Lob, kommt es auch aus der Redaktionsstube der Fachzeitschrift "Theater heute", erhaben. Andere Metropolen mögen ein Stadttheater haben, das ihrem Bedürfnis nach Selbstdarstellung genügt. Die Wiener Burg war stets Bühne, und zugleich war sie immer mehr als das.

Das Burgtheater musste seit seiner Gründung 1748 der imperialen Repräsentation dienen, damals noch am Wiener Michaelerplatz ("Theater nächst der Burg"). Dem habsburgischen Reformkaiser Joseph II. gefiel es 1776 dann, seine großteils aus Holz gezimmerte Schmuckschatulle in den Rang eines "Teutschen Nationaltheaters" zu erheben.

Erst mit der Übersiedlung an die Wiener Ringstraße 1888 wurde aus der Burg eine vor allem bürgerliche Institution. In der angeblich makellosen Bühnensprache der Burg-Mimen sollte sich das Wesen edlen Deutschtums völlig unverfälscht aussprechen. Zu beachten bleibt, dass damit keinem Chauvinismus das Wort geredet wurde. Eher schon hatte das Burgtheater einen Bildungsauftrag zu leisten: Das wohlhabende Bürgertum der Ringstraßen-Epoche durfte sich seiner Rolle als kulturtragende Schicht versichern. Zugleich symbolisierte das neobarocke Haus von Semper und Hasenauer eine Staatsidee, die vom kaiserlichen Greis an der Spitze der Doppelmonarchie nur noch unwirksam verkörpert wurde.

Erstaunlich ist allenfalls, wie unbeschadet der Burgtheater-Mythos den Transfer in die republikanische Ordnung überstanden hat. Nach 1945 spielte man lange Jahre im Ausweichquartier des Ronacher. Die allmähliche Modernisierung der zweitgrößten Bühne Europas (nach der Comédie-Française) zeitigte eine Fülle von Anpassungsleistungen, die mitunter als Provokation, manchmal sogar als Skandal aufgefasst wurden. Man denke an die "Heldenplatz"-Erregung 1988, in der damals noch jungen Ära des redseligen Aufklärers Claus Peymann.

Zuletzt führten angeblich "dolose" Handlungen zu unerhörten Vorgängen an der "ersten Bühne deutscher Zunge" (seit 1999 eine Ges.m.b.H.). Valorisierungsverluste erzwangen eine ungewöhnliche Buchführung. Ein Burgtheaterdirektor namens Matthias Hartmann wurde daraufhin entlassen. Die amtierende Burgdirektorin Karin Bergmann kultiviert das Ethos der "Trümmerfrau". Die künstlerische Neuorientierung zeitigt, siehe oben, Lob und Anerkennung. (Ronald Pohl, 27.8.2015)