Alpbach – "Die Welt braucht die Universitäten" – und die Hochschulen sollten sich insgesamt stärker an der Suche nach Lösungen für die dringlichen Probleme der Welt beteiligen. Das erklärte der US-Ökonom Jeffrey Sachs Mittwoch Abend in einem Vortrag bei den Hochschulgesprächen in Alpbach. Auch Wissenschafter sollten sich stärker über Fachgrenzen hinwegsetzen und sich weniger am Mainstream orientieren.

"Die reale Welt funktioniert etwas anders als der Uni-Hörsaal." Das hat Sachs am eigenen Leib erfahren, als ihn die bolivianische Regierung 1985 mitten in einer Wirtschaftskrise als Berater im Kampf gegen die damalige Hyperinflation engagierte. Er habe damals nicht immer gewusst, was er eigentlich tat. "Zum Glück konnte ich aber helfen", erklärte Sachs.

Komplexe Herausforderungen

Diese Erfahrung habe ihm verdeutlicht, dass Universitäten "nach draußen gehen müssen" – nicht nur um Theorien zu überprüfen, sondern um ihr Wissen sinnvoll für die Gesellschaft, die Erhaltung der Umwelt, in der Medizin oder für die Verbesserung des Wirtschaftssystems einzusetzen, so der Leiter des Earth Institute an der Columbia University in New York und hochrangige Berater der Vereinten Nationen (UNO). An komplexen Herausforderungen mangle es in der Welt außerhalb der Hochschulen jedenfalls nicht: Es gehe um den Aufbau und die Umsetzung einer weltweiten Strategie für nachhaltige ökonomische Entwicklung.

Bei diesem notwendigen Umbau des gesamten Systems im laufenden Betrieb, bei mittlerweile mehr als sieben Milliarden Menschen auf der Erde, brauche es "jede Expertise, die man bekommen kann". Die Universitäten hätten viel davon und sollten sich auch aktiver einbringen. In dem Zusammenhang müsse man auch andere Denkansätze einbringen und sich trauen, diese vorzulegen, dabei aber so präzise wie möglich argumentieren.

"Seltsame Regeln"

Das Hervorbringen neuer Denk- und Handlungsansätze sei unter den momentanen Bedingungen jedoch nicht unbedingt die große Stärke des universitären Systems. Einerseits müssten sich Studenten oftmals vor allem daran orientieren, was die Professoren interessiert. Professoren und Jungforscher unterlägen wiederum dem ständigen Druck, Publikationen in großen Fachzeitschriften, die den Mainstream in den jeweiligen Fächern abbilden und "nach seltsamen Regeln" zu einem großen Teil auch selbst definieren, unterzubringen. An diesem System würden viele fachübergreifend und außerhalb der üblichen Bahnen denkende Menschen scheitern. "Ich glaube, wir sollten an den wichtigen Problemen arbeiten, auch wenn sie in den Fachjournalen keinen Niederschlag finden", erklärte Sachs.

Hochschulen seien wunderbare Orte, an denen sich schon seit Jahrhunderten Generationen treffen, um voneinander zu lernen und wo Forscher nahezu jede Woche Neues und Spannendes herausfinden. Es gebe "gute Gründe, warum Universitäten gemeinsam mit den Religionen zu den beständigsten Institutionen der Welt zählen", so der Ökonom. Leider würde ihre Rolle von öffentlichen oder privaten Geldgebern nur allzu oft auf die Lehre reduziert. (APA, 27.8.2015)