Das ordnungsgemäße Herunterfahren war vor allem unter früheren Systemen sinnvoll.

Foto: Screenshot/Windows

Computer müssen immer ordnungsgemäß heruntergefahren werden, USB-Sticks muss man auswerfen, den Akku von Handys bei der ersten Nutzung komplett entleeren lassen: Manche "IT-Weisheiten" halten sich seit Jahrzehnten. Doch der technische Fortschritt könnte die Nutzungsgewohnheiten schon längst obsolet gemacht haben – falls sie denn je einen Sinn hatten. Um die PC-Mythen zu überprüfen, hat der STANDARD für eine dreiteilige Artikelserie bei Experten von österreichischen Universitäten und Fachhochschulen nachgefragt – und teilweise überraschende Antworten erhalten.

Das Abwürgen von Rechnern

Wer seinen Computer durch langes Drücken des Aus-Knopfes herunterfährt oder gar durch Ziehen des Stromsteckers abwürgt, schädigt den Rechner: Diese Warnung ist wohl jedem Nutzer bekannt. Ein gewisser Wahrheitsgehalt steckt tatsächlich dahinter. "Windows 95 zeigte sogar nach dem Herunterfahren explizit die Nachricht ‚Sie können den Computer jetzt ausschalten‘", erinnert sich Thomas Zefferer von der TU Graz. Doch mittlerweile fahren neue Systeme ohnehin ordnungsgemäß herunter, wenn der Ausschaltknopf betätigt wird. Das Drücken des Aus-Knopfes ist also mittlerweile ungefährlich, bestätigt Markus Kammerstetter, Head of Hardware Security Lab der TU Wien.

Stromzufuhr kappen

Doch bei einem Kappen der Stromzufuhr kann es immer noch zu Problemen kommen – allerdings mit weitaus weniger schlimmen Konsequenzen als früher. "Bei sehr viel älteren Festplatten konnte ein sogenannter Head-Crash passieren", sagt Zefferer, "dabei beschädigte der Lesekopf der Festplatte (Head) das Speichermedium durch direkten Kontakt (Crash)." Moderne Festplatten seien davor gefeit. Inkonsistenzen im Dateisystem oder der Verlust von nicht gespeicherten Daten könnten aber nach wie vor passieren, so Kammerstetter. Wer die Zeit hat, soll also ordnungsgemäß herunterfahren.

Computer wird langsam durch geringe Nutzung

Oftmals haben Gelegenheitsnutzer das Gefühl, ihr Computer sei nach langem "Stehenlassen" langsamer als sonst. Das kann gut sein, erklären Franz Staffel und Gerhard Pernecker von der Uni Wien: "Der PC muss sich alle Updates holen, auch ein Virenscan und Wartungsarbeiten können längere Wartezeiten verursachen." Es sei daher empfehlenswert, den Computer ab und zu einzuschalten, um ihn bei Bedarf gleich nutzen zu können.

Windows defragmentiert selbst

Als Medizin gegen Performanceprobleme wird in Onlineforen auch immer wieder das Defragmentieren der Festplatte genannt. Dabei werden über die Festplatte verstreute Daten wieder zusammengebracht, um Zeit zu sparen. Das Problem tritt nur unter Windows auf, das diesen Job unter aktuellen Versionen aber selbst erledigt. "Unter älteren Windows-Versionen soll man die Defragmentierung ab und zu manuell starten", empfiehlt Zefferer. Bei SSDs sei dies keine gute Idee, denn dann droht laut Zefferer eine "potenzielle Verkürzung der Lebensdauer durch intensive Schreib- und Lesezugriffe".

In die Röhre schauen: Vom Nutzen der Bildschirmschoner

Wer keinen Bildschirmschoner benutzt, gefährdet das Leben seines Monitors: Bei sehr alten Röhrenmonitoren war dies tatsächlich der Fall. Denn lang angezeigte Bilder konnten sich "einbrennen". Markus Kammerstetter von der TU Wien gibt für moderne Bildschirme aber Entwarnung: "TFT oder LED-Monitore nutzen eine gänzlich andere Technologie, um Bilder darzustellen." Allerdings sei es nach wie vor empfehlenswert, Bildschirme auszuschalten, da Stromkosten und Lebensdauer gespart werden. Eine Berechtigung hätten Bildschirmschoner aber nach wie vor, so Zefferer: Sie schützten vor neugierigen Blicken. (Fabian Schmid, 27.12.2015)