Wissenschafter Thomas A. Bauer beschäftigt sich mit Kommunikationskultur und Medienbildung in Organisationen.

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Die Digitalisierung lässt uns oft ratlos zurück. Diese Ratlosigkeit sei aber die größte Ressource für Innovationen, sagt Bauer: "Nach dem Modell 'Wenn wir nicht weiterwissen, müssen wir umdenken'."

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Wenn wir vor neue Herausforderungen gestellt werden, lernen wir. Wenn wir mit Unbekanntem konfrontiert werden, bringt uns das weiter, sagt Thomas A. Bauer, Professor für Medienkultur und Medienbildung.

Auch Technologisierung und Medialisierung würden einen solchen Ausstieg aus der Komfortzone bewirken, einen Zustand der Ungewissheit – bis hin zur Ratlosigkeit – erzeugen.

Ein gutes Management solle diese Ratlosigkeit aber keineswegs fürchten, sondern sie sich geschickt zunutze machen, rät Bauer: "Es muss diesen Punkt der Untersicherheit erzeugen, und zwar am besten, noch bevor er da ist."

Fordern und fördern

Führen dürfe in Zeiten technologischer Umwälzungen und gesellschaftlicher Orientierungslosigkeit nicht bedeuten, "einen Mitarbeiter dahin zu drängen, wo man ihn hinhaben will, sondern ihn so zu fordern und zu fördern, dass er seine eigenen Potenziale erkennt und diese der möglichen Veränderung wegen einsetzt."

Das könne nur geschehen, indem er an seine Grenzen geführt werde, an ebenjenen Punkt der Ratlosigkeit. "Nach dem Modell 'Wenn wir nicht weiterwissen, müssen wir umdenken'."

Empathie, Aufmerksamkeit, Toleranz und die Fähigkeit, Fragen zu stellen, statt Antworten zu geben: Das seien Eigenschaften, die einen guten Leader heute auszeichnen würden. Gefragt seien mehr denn je "Persönlichkeitswerte statt Techniken".

Zukunftslabors

Um von Veränderungen nicht überrumpelt zu werden, müssten Verantwortliche in Unternehmen auch vermehrt versuchen, sich darin einzubringen, den Wandel – gemeinsam mit ihren Mitarbeitern – aktiv mitzugestalten, sagt Bauer. "Zukunft darf nicht als Schicksal begriffen werden, sondern als Arrangement der eigenen Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse", mahnt er. "Entgegen der Reaktion 'Die Zukunft kommt, wie schützen wir uns davor?'."

Geeignete Formen, ein Mitarbeiten an Veränderungen zu organisieren, seien sogenannte "Zukunftslabore": Zusammentreffen, die auch firmenübergreifend stattfinden können, "in denen sich ein Unternehmen ständig selbst herausfordert, ein anderes zu werden, als es ist", in denen es Möglichkeiten und Grenzen auslotet. "Denn das größte Potenzial liegt darin, das zu denken, was man noch nicht gedacht hat. Da muss Führung ansetzen, alles andere wäre nur Management."

Mitarbeiter miteinbeziehen

Widersprüche, die in dieser kontinuierlichen Beschäftigung mit Veränderungen schnell deutlich werden, gelte es dabei "zu akzeptieren, sie "als Chance zu begreifen." Bewusst erzeugt werden könnten diese Widersprüche auch durch eine stärkere Aufmerksamkeit gegenüber Minderheitenpositionen. Sie sollten genutzt werden, sagt Bauer. "In dem, was wir umständlich und komplex finden, lernen wir dazu. Differenz hilft uns also." Wer sich nur mit dem umgebe, was er kenne, komme nicht weiter.

Wichtig sei beim Arbeiten an Innovationen auch der Abbau von Hierarchien. "Leadership heißt nicht, sich als den größten Führer zu inszenieren, sondern Mitarbeiter zu Beteiligten des Prozesses zu machen" . Von der Vertikalität zur Horizontalität – so könnten alle voneinander lernen. Der Auftrag an die Führung müsse heißen, unter Mitarbeitern entsprechende Gesprächsbedingungen herzustellen: "Dann fühlt sich der Einzelne aufgehoben."

Mehr als Technik

In solchen vielfältigen Teams mit flachen Hierarchien könne auch der Umgang mit neuen Technologien im Unternehmen geübt werden. "Es geht darum, herauszufinden, wer worin Experte ist. Und dann kann er oder sie, auf gleicher Ebene, Kollegen helfen."

Für die Kommunikation über neue Medien gelte: sich nicht zu sehr von deren Funktionsweise ablenken zu lassen. "Dass Medien die Kommunikation steuern, ist ein Trugschluss", sagt Bauer. "Das Medium ist nur eine Entscheidung, wie wir kommunizieren." Die Digitalisierung verändere nicht nur die unternehmensinterne und -externe Kommunikation, sondern auch die Muster der Kommunikation selbst.

Der gute Rat: sich zunächst zu bemühen, diese neue Logik zu verstehen: Sich Absicht und Wortwahl von Mal zu Mal neu zu überlegen, darin liege die so wichtige kommunikative Kompetenz.

Wie meint er es?

Im digitalen Zeitalter würden "die klassischen Werte der Kommunikation" Wahrheit, Authentizität und Vertrauen einer neuen Prüfung unterzogen werden, wie Bauer sagt. Räumliche Distanz, Allgemeinverfügbarkeit und der Versuch einer Überwindung von Zeit würden komplett neue Bedingungen schaffen. "Wir fragen uns: Meint der andere es jetzt so oder anders?"

Eine Möglichkeit, sich dessen zu vergewissern, sei Metakommunikation. "Und die funktioniert im Internet besser als nirgendwo anders." (Lisa Breit, 29.8.2015)