Paris – Der Angreifer im Thalys-Schnellzug auf dem Weg nach Paris wollte nach Überzeugung der Pariser Staatsanwaltschaft einen islamistischen Anschlag verüben. Gegen den Marokkaner wurden richterliche Vorermittlungen wegen versuchten Mordes im Zusammenhang mit einem Terrorvorhaben eingeleitet, wie Staatsanwalt François Molins am Dienstag in Paris sagte.

Nicht glaubwürdig seien Angaben des 25-Jährigen, er habe lediglich die Thalys-Passagiere ausrauben wollen. Mit seiner schweren Bewaffnung – einem Schnellfeuergewehr aus ostdeutscher Produktion mit insgesamt 270 Schuss Munition, einer Pistole der Marke Luger und einem Teppichmesser – hätte er eine "große Zahl Menschen töten oder schwer verletzen können", sagte Molins.

Der Marokkaner sei in der Vergangenheit als radikaler Islamist aufgefallen und habe noch im Zug auf seinem Handy ein YouTube-Video angeschaut, in dem zu "gewaltsamen Aktionen im Namen des Islam" aufgerufen wird. Das Handy sei erst am Tag der Tat aktiviert worden.

Molins verwies auch auf das "entschlossene" Vorgehen des Mannes, der bei dem Angriff alle Waffen gezogen hatte. Neben Mordversuchen werden dem 25-Jährigen die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Gruppe und unerlaubter Waffenbesitz zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft.

Der Verdächtige hatte am Freitag im Thalys auf dem Weg von Amsterdam nach Paris das Feuer eröffnet. Zwei US-Soldaten und weitere Passagiere überwältigten den Mann und verhinderten damit vermutlich ein Blutbad. Einer der Soldaten und ein weiterer Passagier wurden schwer verletzt.

Der Marokkaner stritt in Verhören jedes terroristische Motiv ab und sprach von einem Überfall. Das Schnellfeuergewehr vom Typ AKM – eine Weiterentwicklung der Kalaschnikow AK 47 – will er am Tag vor dem Angriff in einem Park in Brüssel gefunden haben. Molins sprach mit Blick auf die Angaben von "aus der Luft gegriffenen" Behauptungen.

Die Ermittler waren sehr schnell von einem islamistischen Anschlagsversuch ausgegangen. Der Marokkaner war in Spanien, wo er zwischen 2007 und 2014 lebte, als radikaler Islamist eingestuft worden und deswegen auch auf einer französischen Geheimdienst-Liste potenzieller Gefährder gelandet.

Im vergangenen Jahr lebte er nach eigenen Angaben mehrere Monate im Pariser Vorort Aubervilliers, dann in Köln, Wien, wieder Köln und schließlich Brüssel. Im Brüsseler Stadtteil Molenbeek-Saint-Jean durchsuchte die Polizei am Dienstag Wohnungen der Schwester des Verdächtigen und eines Freundes.

Im österreichischen Innenministerium hieß es auf Anfrage der APA, die Ermittlungen gegen den Thalys-Schützen würden im Ausland erfolgen, daher gebe man keinen Kommentar dazu ab.

Besonders interessierten sich die Ermittler für eine Reise des Mannes in die Türkei – es besteht der Verdacht, dass er von dort aus in das Bürgerkriegsland Syrien reiste, das in Teilen von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) kontrolliert wird. Molins bestätigte, dass der Verdächtige am 10. Mai von Berlin aus nach Istanbul flog. Am 4. Juni flog er schließlich aus der türkischen Stadt Antakya nahe der Grenze zu Syrien über Istanbul in die albanische Hauptstadt Tirana.

Den Thalys betrat er am Freitag mit einem Ticket für die erste Klasse, vor seinem Angriff sperrte er sich zunächst in der Toilette ein. Er hatte auch eine Flasche mit einem halben Liter Benzin bei sich. (APA, 25.8.2015)