"Ausnahmslos alle Artikel sind erfunden", warnt Fritz Jergitsch auf seinem Portal "Die Tagespresse".

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Wien – "Zu viele Wirtschaftsflüchtlinge aus Kärnten: Syrien schließt die Grenze": Mit Meldungen wie dieser verdient Fritz Jergitsch derzeit sein Geld. Warum? Weil sie gut sind und Tausendfach auf Facebook geteilt werden. Seine Satireseite Die Tagespresse hat bei den Fans kürzlich derStandard.at überholt. 213.000 Leuten gefällt sein Portal – Jergitschs Kapital. "Facebook ist mit 70 Prozent unsere wichtigste Traffic-Quelle", sagt der 24-jährige Wiener.

Vergleichsweise irrelevant sei hingegen Twitter: Weniger als 0,5 Prozent der Leser kämen auf dietagespresse.com über den 140-Zeichen-Dienst, sagt Jergitsch.

Die Abhängigkeit vom Facebook-Algorithmus möchte er mittelfristig auf unter 50 Prozent der Besucher reduzieren. Damit das gelingt, forciert Jergitsch alternative Verbreitungswege, erzählt er dem STANDARD. Neben einem Newsletter, der bereits mit allen Artikeln verschickt wird, soll Mitte September eine eigene Tagespresse-App kommen, gebastelt in Eigenregie.

Zahlen getauscht

Eigenregie ist überhaupt das Credo des 24-Jährigen, der nach der Matura nach Utrecht ging, um als Banker zurückzukommen. Den Plan vereitelt hat seine Leidenschaft für Satire. Nach dem Studium der Volkswirtschaft jongliert er jetzt seit gut zwei Jahren mit anderen Zahlen: Den Zugriffen auf sein Portal und wie sie sich monetarisieren lassen.

Mittlerweile sei die Tagespresse profitabel, sagt ihr Gründer. Im Juli konnte er laut Zahlen der Österreichischen Webanalyse über 1,3 Millionen Besuche auf der Seite verbuchen. Genug, um von den Werbeeinnahmen zu leben. Neben klassischer Bannerwerbung setzt er dabei auf Native Advertising – also Reklame, die im redaktionellen Gewand daherkommt. Für eine Biermarke wurde beispielsweise von der Redaktion ein eigener Satire-Artikel geschrieben. Gekennzeichnet als Anzeige.

Vier Autoren

Sogar bei einem Satireportal sei Glaubwürdigkeit ein hohes Gut. Mit den Erlösen kann Jergitsch ein Autorenteam bezahlen. Vier Satiriker liefern Beiträge. Einer von ihnen ist Jürgen Marschal, Drehbuchautor und Gagschreiber für die ORF-Satire Willkommen Österreich. Von ihm stammt etwa der Artikel: "Brief lag jahrelang auf Postamt herum: Aufnahmebestätigung der Kunst-Uni erst jetzt an Adolf Hitler zugestellt." Mit fast 81.000 Shares gehört dieser Beitrag zu den meistgeteilten.

Nähe und Aktualität seien entscheidend, wie gut Themen angenommen werden, sagt Jergitsch und nennt Facebook, die Wiener Linien und Innenpolitik als Garanten für Zugriffe. Seinen Autoren zahlt er 120 Euro pro Beitrag.

Neben seinem "Hauptberuf" schreibt er noch für andere Comedy-Projekte wie etwa Klaus Eckels ORF-Kabarett Eckel mit Kanten.

Der Erfolg der Tagespresse hat bereits Interessenten auf den Plan gerufen. "Es gab Angebote", so Jergitsch, derzeit hege er aber keine Verkaufspläne. Ganz im Gegenteil: Er habe noch einiges vor. Satirische Videos wie jenes über einen Wiener Jihadisten, der mit seinem Auto auf der Südosttangente steckenblieb, wünscht er sich ins Standardrepertoire seiner Plattform. Das Hauptproblem sei derzeit die Rechtefrage. Lösen möchte er sie über Kooperationen mit TV-Sendern. (Oliver Mark, 26.8.2015)