Die Decken über den Trinkwasserbecken des Wasserkraftwerks im Innsbrucker Mühlau werden von dutzenden Säulen getragen.

Foto: Gerhard Berger

Innsbruck – Würde man in das Becken spucken, wäre das ziemlich grauslich. "Das tut man aber bitte sowieso nicht", weist Kraftwerkschef Robert Gschleiner zurecht. Er steht neben einem fußballfeldgroßen Pool an Trinkwasser, das kühle Nass und ihn trennt bloß eine brusthohe und ellenbreite Mauer. Aus diesem Speicherbecken im Innsbrucker Stadtteil Mühlau wird das glasklare Quellwasser direkt in das Rohrnetz gespeist – und damit Tirols gesamte Landeshauptstadt versorgt.

Würde man also hineinspucken in das Becken – was man natürlich nicht tut –, hätte jeder Innsbrucker eine ganz, ganz, ganz, ganz kleine Menge Speichel in seinem Wasserglas. Zum Glück ist das Kraftwerk Mühlau aber für den gewöhnlichen Schelm im Normalfall nicht zugänglich. Nur ab und zu öffnet Gschleiner die Pforten für Schulklassen oder Delegationen aus dem Ausland. An derlei selten oder gar nicht öffentlich zugängliche Orte führt DER STANDARD in dieser Serie.

Es ist eiskalt

Der Speicher ist ein mystischer Ort. Links und rechts ein riesiges Becken, die von Kondenswasser beperlte Decke wird von dutzenden pilzförmigen Betonsäulen getragen. Durch die Mitte führt ein Gang, der nur so hoch ist, dass sich ein großer Mensch bücken müsste. Es ist eiskalt, die Luft frisch, ein bisschen riecht es nach Berg.

Bis auf zwei Tage im Monat, an denen Kontrollen stattfinden, ist die Halle stockfinster. Für Begehungen werden einige wenige Strahler angeschaltet. Die Säulen spiegeln sich dann im Wasser, was den Raum leicht optisch verzerrt.

Die Quelle liegt rund 450 Höhenmeter über dem Kraftwerk. Das Wasser wird dort aufgefangen und durch Druckrohrleitungen hinunterbefördert – dabei wird auch Strom erzeugt. Die Qualität des Wassers ist so hoch, dass es gar nicht gefiltert werden muss.

Verbrauch rückläufig

In schlechten Zeiten – vornehmlich im März – werden so pro Sekunde 600 bis 700 Liter Trinkwasser gewonnen, im Herbst sogar mehr als doppelt so viel. Der Bedarf in Innsbruck liegt bei rund 400 Litern pro Sekunde. Der Überschuss wird zuerst in ein zweites Kraftwerk – zur weiteren Energiegewinnung – und dann in den Inn geleitet. "Der Wasserverbrauch ist österreichweit seit Jahren rückläufig", sagt Gschleiner. Das Gebäude wird von Kameras überwacht, es gibt Bewegungsmelder und Türblattsicherungen. Eindringlinge würden sofort auffallen und kämen nicht weit, ist Gschleiner überzeugt. "Kürzlich war eine Gruppe aus Russland zur Besichtigung da, die konnten es kaum fassen, dass wir hier nicht das Militär brauchen, um den Speicher zu bewachen."

Im Gegensatz zu Speichel hätte ein Liter Mineralöl in dem riesigen Becken "verheerende Auswirkungen" für die ganze Stadt, sagt Gschleiner. "Würden wir beispielsweise ein Silvesterschwimmen veranstalten, würde das aber bestimmt niemandem auffallen." Tun sie aber eh nicht. (Katharina Mittelstaedt, 24.8.2015)